Volkslieder des Alentejo, der etwas andere Gesang

 Cante alentejano als UNESCO-Kulturerbe der Menschheit anerkannt

Der “Cante Alentejano” oder schlicht “cante” (Dialektwort für das portugiesische “canto”, Gesang) , ein polyphoner Gesang aus dem Süden Portugals mit unverwechselbaren musikalischen Eigentümlichkeiten, der tief in der Volkskultur dieser ländlichen Gegend verwurzelt ist, wurde am 27. November 2014 von der UNESCO in die Liste des immateriellen Weltkulturerbes eingetragen. 

Monumento ao Cante, Casevel

Beim Cante handelt sich um einen Wechselgesang von Vorsänger (Ponto), zweitem Solist (Alto) und Chor nach bestimmten Regeln. In den Dörfern des Alentejo hat sich bis auf den heutigen Tag ein Reichtum an modalen Liedern gegen die uniformierende Wirkung der kommerziellen Musikproduktion behaupten können. Lydische, mixolydische (gelegentlich phrygisch) anmutende Passagen finden sich ebenso wie plagale Schlusswendungen. Häufig weichen die Sänger bei einzelnen Tonstufen mehr oder weniger stark von der (harmonischen) Durleiter ab. Alle diese Elemente machen eine neue unverwechselbare Tonwelt erlebbar. Die historischen Wurzeln des Cante liegen im Dunkeln. Die Bauern südlich des Tejo wurden relativ spät christianisiert. Um 1500 wurden massenweise aus Spanien geflüchtete und in Portugal zwangsgetaufte Juden im Alentejo angesiedelt. Es wird nicht ausgeblieben sein, dass diese “neuen Christen” mit maurischen und jüdischen Vorfahren Vieles aus ihrem angestammten Liedgut in die Volkskultur einbrachten, die den Cante hervorgebracht hat. Seit antiken Zeiten haben sehr viele Völkerschaften unterschiedlichster Herkunft in Portugal angesiedelt, und da die Randlage des Landes kein Weiterziehen möglich macht, bleiben und Spuren ihrer Traditionen bis heute hörbar.

1971 suchte Michel Giacometti, Sammler von Volksliedern des Alentejo,  einen der letzten Spieler der alten Generation auf. Eine der vielen Raritäten aus seiner Sammlung: Viola campaniça (Youtube-Video).

(Siehe Portugalforum.com)

Kleine Auswahl von Video-Dokumenten zum Cante (EXTERNE LINKS):

CANTE

 

Zur aktuellen Lage Portugals

Der „Reformprozess in Portugal“ –finanzielle Zwänge in produktiver Schieflage

Gemessen an seinem Bruttoinlandsprodukt liegt Portugal an der 19. Stelle im Ranking der EU-Staaten. Und natürlich ist auch an diesem Land die aktuelle internationale Krise nicht spurlos vorübergegangen, im Gegenteil: Portugal wird immer wieder genannt, wenn es um die Frage geht, bei welchen EU-Mitgliedern der Staatshaushalt möglicherweise „am Kippen“ steht.

Die Krise hat Portugal seit mindestens 2009 fest im Griff, auch wenn die EU und ihre Troika von „wesentlichen Fortschritten“ spricht und Portugal eine gangbare Zukunft bescheinigt. Die EU fordert aufgrund ihrer Finanzhilfen „einen tragfähigen Kurs“, um die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft zu errreichen. „Nach Irland und Spanien ist Portugal das dritte Land, das sein Hilfsprogramm erfolgreich beendet hat und sich wieder eigenständig am Kapitalmarkt finanziert.“ (BMF/Web/DE/Service/Monatsbericht vom 19.12.2014)

Der Reformweg ist nicht abgeschlossen, sondern wird noch Jahre fortdauern und die staatlich verordnete Haushaltskonsolidierug durch vereinbarte Strukturreformen wird unbeirrt fortgesetzt. Dass diese Strukturreformen die kurze Periode „individuellen Aufstiegs“ eines großen Teils der Gesellschaft zunichte gemacht hat, ist offensichtlich. Vor dem Ausbruch der Wirtschaftskrise hatte Portugal etwa ein Jahrzehnt ein schwaches Wirtschaftswachstum erlebt, dass für die Mehrheit der Bevölkerung zum ersten Mal „fühlbar“ werden ließ, dass „es aufwärts geht“ und man sich – im Gegensatz zu früher – „etwas leisten konnte“. Größeres Wohneigentum, die eigene Waschmaschine und allem voran ein Auto verschleierten, dass es zum großen Teil ein Aufschwung auf Pump war.

Eine dieser „Randnotizen“ ist beispielsweise, dass in der Zeit des Aufschwungs viele Portugiesen stärker auf ihre Gesundheit achten konnten, was sich daran zeigt sich u.a. daran, dass sie sich Zahnersatz leisten konnten und überhaupt gesundheitliche Vorsorge vornehmen konnten, was nun  wieder stärker vernachlässigt werden muss. Da jedoch die geringe Produktivität blieb, ging die viel zitierte „Party“ des rasanten Aufschwungs, wie ihn Irland und zum Teil auch Spanien vor einem herben Abschwung erlebten, rasch zu Ende, war er doch in Portugal ohnehin wesentlich geringer ausgefallen. So war das Wachstumspotenzial mit einer nachlassender Wettbewerbsfähigkeit und tiefgreifenden strukturellen Hemmnissen stetig gesunken, was die einsetzende weltweite Krise besonders schmerzhaft werden ließ.

Seit 2001 Leben mindestens 20% der Portugiesen an oder unter der Armutsgrenze, wobei der Anteil weiter wächst und im Alentejo höher als im Landesdurchschnitt liegt. Vergleich zu Deutschland: 2001 – 11% (Eurostat 2004, Internet 10.5.2015)

Die Auslandsverschuldung Portugals nahm daher weiter zu, so dass ab 2009 mit der erwähnten globalen Finanz- und Wirtschaftskrise das Haushaltsdefizit und die Staatsverschuldung den europäisch vereinbarten Rahmen sprengte. Das führte dann auch dazu, dass das Vertrauen aus- wie inländischer Investoren schwand, Risikoaufschläge auf portugiesische Staatspapiere hingegen steigen und so eine eine tragbare Kapitalmarktfinanzierung fehlte. Portugal musste unter den sog. „Rettungsschirm“ schlüpfen und im Mai 2011 ein dreijähriges makroökonomisches Anpassungsprogramm (Hilfen der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF), des Europäischen Finanzstabilisierungsmechanismus (EFSM) und des Internationalen Währungsfonds (IWF)) von 78 Mrd. € in Anspruch nehmen, wovon Portugal bislang 75,4 Mrd. € abrief.

Die Troika (Europäischer Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und IWF, Vertreter (nicht gewählt oder durch eine Kommission kontrolliert) hatte eine Reformagenda ausgehandelt. Das Programm hatte und hat es zum Ziel, „den Staatshaushalt dauerhaft zu sanieren, den Finanzsektor zu stabilisieren und über strukturelle Reformen das Wachstumspotenzial zu stärken“. Im Frühsommer 2014 hat Portugal dieses Programm endlich „erfolgreich“ beenden und die Repression vorerst abstreifen können. (BMF/Web/DE/Service/Monatsbericht vom 19.12.2014) Der Preis, den die Bevölkerung individuell zahlen muss, ist hoch. Die aktuelle Statistik führt aus, das … An der Armutsgrenze leben müssen.

Erreicht wurde dies durch die Senkung der Staatsausgaben, vor allem durch Stellenabbau im Öffentlichen Dienst (Bildung, Gesundheit  etc.) und einer erheblichen Kürzung der Gehälter, der Pensionen und der Ausweitung der Wochenarbeitszeit auf 40 Stunden. Urlaubs- und Feiertage wurden gleichfalls reduziert. Das haben die Portugiesen fast widerspruchslos hingenommen, große Demonstrationen und Aufrufe zum Generalstreik finden auch noch heute (demnächst im Juni 2015 fast nur in Lissabon statt. In den ländlichen Regionen mit überwiegend landwirtschaftlicher und touristischer Wirtschaftsgrundlage wurde und wird kaum protestiert.
Seit 2013 wird von einen Wirtschaftswachstum von 0,9 % ausgegangen (BMF 2014). Die Statistik der eigenen Regierung von 2013 sagt folgendes: …

Konsum und Investitionen im Privatsektor wachsen angeblich, erreicht durch eine Mischung aus Effizienzverbesserungen und Lohnzurückhaltung. Die Menschen hier erzählen und empfinden anderes.

„Die Exportquote des Landes ist von 28 % des BIP im Jahr 2009 auf rund 40 % im Jahr 2014 gestiegen. Die Ausfuhren nach Deutschland, dem weltweit zweitgrößten Abnehmer portugiesischer Warenexporte, wuchsen ebenso wie etwa jene in die sprachverwandten Länder Angola, Brasilien und Mosambik.“ (BMF/Web/DE/Service/Monatsbericht vom 19.12.2014)

„U. a. die deutsche Automobilindustrie einschließlich ihrer Zulieferbetriebe sehr präsent und trägt zum Export des Landes bei“, heißt es dort weiter. Das kann ich im Alentejo, der ländlichsten Region Portugals, nicht sehen und schon gar nicht beurteilen. Wesentlicher Treiber der Dienstleistungsexporte Portugals ist der Tourismus, hier und in der Faro-Region neben der Landwirtschaft (Oliven, Wein, Kork, Fisch ) und natürlich Fleischproduktion, der einzig nennenswerte Entwicklungsfaktor. Dafür muss die Ausbildung der im Tourismus Tätigen noch wesentlich verbessern. Außerhalb der größeren Städtchen sind Englischkenntnisse zum großen Teil nur rudimentär ausgeprägt, teils könne. Hotel- und Pensionsbetreiber gar kein Englisch – trotz aller Freundlichkeit wird’s dann schwierig.

Der Aufschwung zeigt sich inzwischen, so die offiziellen Statistiken, auch beim Arbeitsmarkt. Die Beschäftigung steigt, jedenfalls in gesamteuropäischen Statistiken. Mit einem Durchschnittswert von 14,5 % für 2014 ist die Arbeitslosenquote noch immer sehr hoch, liegt aber 2 % niedriger als im vergangenen Jahr. welch ein Erfolg! Die Jugendarbeitslosigkeit ist hingegen mit derzeit 32,2 % noch immer erschreckend hoch, kein Land in Sicht. ( siehe auch BMF/Web/DE/Service/Monatsbericht vom 19.12.2014)

Strenge Maßnahmen, Vor allem für den öffentlichen Sektor, verlangen viel von den Betroffenen. Bei einem Monatsgehalt von über 1.000 Euro müssen sie auf ein 13. und 14. Monatsgehalt verzichten. Im Privatsektor ist die Arbeitszeit angehoben worden und der Urlaubsanspruch verkürzt, Ausgaben bei Bildung und Gesundheit werden weiter gekürzt. Das BFW stellt bedauernd fest, dass „verschiedene Maßnahmen, die zu dauerhaften Ausgabensenkungen hätten führen sollen, wegen mehrfacher negativer Urteile des portugiesischen Verfassungsgerichts nicht in der geplanten Form umgesetzt werden (konnten). Das Gericht hatte beispielsweise bestimmte Kürzungen von Gehältern und Renten im öffentlichen Dienst unter Verweis auf Vertrauensschutz und Gleichheitsgrundsatz als nicht verfassungsgemäß verworfen.“ (BMF/Web/DE/Service/Monatsbericht vom 19.12.2014) Daraufhin griff die portugiesische Regierung zu Steuerhöhungen, so dass die MwSt heute bei 23% liegt.

„Um den Arbeitsmarkt zu flexibilisieren und die Anreize für Neueinstellungen zu stärken, hat Portugal u.a. die Arbeitszeiten dereguliert, Abfindungsregelungen angepasst, die Bezugsdauer von Arbeitslosengeld gekürzt und die aktive Arbeitsmarktpolitik ausgebaut. Das Renteneintrittsalter wurde auf 66 Jahre erhöht.“ (BMF/Web/DE/Service/Monatsbericht vom 19.12.2014)

Exkurs: Soziale Sicherheit und Versicherungen (übernommen aus dem Internet)

Abhängig Beschäftigte, die ungewollt ihren Arbeitsplatz verlieren und arbeitsfähig sowie arbeitswillig sind (Registierung beim Arbeitsamt), können folgende Leistungen beantragen:

– Arbeitslosengeld (subsídio de desemprego);

– Arbeitslosenhilfe (subsídio social de desemprego);

– Teilarbeitslosengeld (subsídio de desemprego parcial).

Anspruch auf Arbeitslosengeld haben Arbeitslose, die in den unmittelbar vor Beginn der Arbeitslosigkeit liegenden 24 Monaten eine abhängige Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt von mindestens 450 Tagen nachweisen können.

 Anspruch auf Erstarbeitslosenhilfe haben Arbeitslose, die die vorgenannte Voraussetzung für den Bezug von Arbeitslosengeld nicht erfüllen und in den unmittelbar vor Beginn der Arbeitslosigkeit liegenden zwölf Monaten eine abhängige Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt von mindestens 180 Tagen nachweisen können. Diese Leistung wird auch Arbeitslosen gewährt, nachdem ihr Anspruch auf Bezug von Arbeitslosengeld erloschen ist.

Dabei darf das monatliche Einkommen des Haushalts 80 % des Indexes für Sozialleistungen (IAS), 419,22 EUR, nicht übersteigen; zudem darf der Wert des „beweglichen Besitzes (Bankkonten, Aktien, Investmentfonds)“ nicht höher sein als das 240-Fache des IAS.

 Teilarbeitslosengeld wird gewährt, wenn der Arbeitnehmer Arbeitslosengeld bezieht und eine Teilzeitarbeit aufnimmt, bei der das Arbeitsentgelt geringer als das Arbeitslosengeld ist, das er bezogen hat, und die normale Arbeitszeit kürzer als eine vergleichbare Vollarbeitszeit ist.

Das Arbeitslosengeld kann zwischen 9 und 30 Monaten gewährt werden, wobei das Alter des Arbeitnehmers und die Anzahl der Jahre ausschlaggebend sind. Die Arbeitslosenhilfe kann für dieselbe Zeit gewährt werden, außer wenn sie als Folgeleistung zum Arbeitslosengeld gezahlt wird. In diesem Fall wird die Bezugsdauer auf die Hälfte reduziert. Das Teilzeitarbeitslosengeld ist auf den für das Arbeitslosengeld festgelegten Bezugszeitraum begrenzt. Das Arbeitslosen-Tagegeld beträgt 65 % des mittleren Tageseinkommens der letzten zwölf Monaten.

Die Arbeitslosenhilfe kann zwischen 80 % des IAS bei alleinstehenden Beschäftigten und 100 % bei Beschäftigten, die Familie haben, betragen.“ (Eures, European Job Mobility Portal 04/2011)

Wie sehen die politischen Kräfte in Portugal aus? Noch werden die roten Fahnen gezeigt, zumindest am 1. Mai. Den Aufruf zum Generalstreik im Juni 2013 schätzt die PCP als Erfolg ein. Er wird 2015 im Juni wiederholt mit einem Marsch auf Lissabon.


„Aber eher früher als später wird das portugiesische Volk laut sprechen, wird es in die eigenen Hände nehmen, eine Politik aufzustellen, die seinen Interessen und Rechten entspricht, und «die nicht zu trennen ist von der Ausweitung und Verschärfung der Massenkampfes, mit allen Ausdrucksformen, die dieser während des Bruches mit der rechtsgerichteten Politik und beim Aufbau einer patriotischen linken Alternative annehmen kann“, wiederholt die Partei die Erklärung von 2013 zum 1. Mai dieses Jahres.

Original (port.): Sobre a situação polí­tica e os seus desenvolvimentos – Comunicado da Comissão Polí­tica do Comité Central do Partido Comunista Português, Segunda 15 de Julho de 2013 – Übersetzung: kommunisten.ch (16.07.2013)

 

 

Portugisische Charakterstudie oder die lautstärke Mentalität?

Ein lautes und vor allem duldsames Volk schenken die Portugiesen, zumindest in der . Die Straße ist eine öffentliche Telefonzelle und jeder Platz ist zugleich speakers corner. Alle hören oder können alles mithören, und weil die Erwachsenen so laut sind, müssen auch die Kinder schrecklich schreien, um wahrgenommen zu werden. Dazu knattern die Mopeds des Pizzbringdienstes rasend schnell vorbei und Autos, die einfach stehenbleiben, wenn ihre Faher_innen ein bekanntes Gesicht in der Nähe entdecken, verstopfen nicht nur die schmalen Straßen, sie werden auch nicht etwa ausgestellt und stinken rum.

Wenn einer nicht gleich bemerkt, dass jemand mit ihm plaudern will, dann wird einfach die Lautstärke verdoppelt, schrill gepfiffen oder alle, die bereits zusammen stehen, ruf gemeinsam. Das klappt dann sicher. Mit dem Auto wird zusätzlich gehupt, auch das garantiert die Aufmerksamkeit aller Umstehenden. Ich hatte es nicht so in Erinnerung. Vielleicht ein Resultat des Frühlings, die ich doch bislang nur im Winter hier war.
Aber: die Städte sind sauber, der Hundekot wird weitgehend eingesammelt, das hat sich inzwischen durchgesetzt und jeden Tag kommt die Müllabfuhr und lehrt an den zentralen Plätzen die unterirdisch versenkten Müllbehälter. Das läuft bestens. Pünktlich jeden Morgen gegen 8.30 Uhr treten drei Straßenfegerinnen in Aktion und fegen in ihrem Revier den ganzen Tag. Ob es tatsächlich Angestellte im öffentlichen Dienst sind, konnte ich nicht rausfinden, vielleicht sind es auch nur Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen.
Die Cafe’s auf den Plätzen sind oft voll, keineswegs nur mit Touristen. Portugiesen selbst sitzen gern im Café und nehmen sich viel Zeit miteinander zu palavern. Sie scheinen davon auch unendlich viel zu haben. Klar, die anderen sieht man nicht. Und wer nicht redet, weil er gerade niemanden getroffen hat und nicht verabredet ist,guckt in sein smartphone, auf sein tablet oder rubbelt Lose. Auch hier stirbt die Hoffnung zuletzt.
Richtig los geht es ohnehin erst nach dem Dinner. Dann noch mal schnell raus und mit allen treffen. So öffnen die meisten Bars, ohnehin erst 22.00 Uhr oder später, Konzerte, die Studies besuchen, beginnen nicht vor 23.00 Uhr. Ich suche nach Früherem, gelegentlich gibt es Konzert oder Ballett „schon“ 21.30 Uhr, das nehme ich. Vorher geht ohnehin nix. Ich bin noch immer fasziniert davon. Wie können sie dann morgens 8.00 Uhr erholt zur Vorlesung antreten?
So what: anpassen ist angesagt.

Ein Land der Felder, Wälder und der bäuerlichen Landwirtschaft

Der bedeutendste Wirtschaftsbereich in Portugal ist die Landwirtschaft. Durch die seit Jahren andauernde Landflucht gleitet dieser Bereich unübersehbar in die Ineffizienz über. Viele Landwirtschaftsbetriebe werden aufgegeben bzw. in touristenreichen Regionen in Ferienwohnsitze umgebaut, die sich dann die meiste Zeit de s Jahres selbst überlassen bleiben. Landflucht ist eines der bestimmenden Themen im Alentejo. 

Die Landwirtschaft macht nur etwa 5% des Bruttoinlandproduktes (BIP) aus, obwohl mehr als 15% aller Arbeitskräfte in diesem Bereich tätig sind. Dazu im Vergleich: der Anteil der Landwirtschaft am Bruttoinlandsprodukt in Deutschland im Jahr 2014 betrug nur noch 0,8% mit inzwischen höchstens 1% der Beschäftigten (Statistika 2015, internet 27.4.15)   

Exkurs:  Landwirtschaftliche Wertschöpfung pro Arbeiter ist ein Maßstab der landwirtschaftlichen Produktivität. Die Wertschöpfung in der Landwirtschaft mißt den Arbeitsertrag des Landwirtschaftssektors (ISIC Kategorien 1-5) abzüglic h der Werte der eingesetzten Zwischenressourcen. Landwirtschaft schließt die Wertschöpfung von Waldwirtschaft, Jagd, Fischerei sowie den Ackerbau und die Viehhaltung ein. Die Daten sind in konstanten Werten von US Dollar von 2011. (Quelle: Weltbank), d.h. für Portugal einen Wert unter 10.000 € pro Betrieb im Durchschnitt, wobei natürlich die Zunahme größerer Betriebseinheiten festzustellen.

Heute muss Portugal mehr als die Hälfte der benötigten Nahrungsmittel aus dem Ausland importieren. Eine große Krise wurde in der portugiesischen Landwirtschaft, und v.a. im Bereich des Mandelanbaus, durch die Konkurrenz in den Niedriglohnländern ausgelöst, obwohl es doch im Gesamteuropäischen Kontext selbst als Billiglohnland erscheint – noch nicht billig genug? Auch die Korkeichenplantagen sind davon betroffen. Das einzige, wovon Portugal in pflanzlicher Richtung profitiert ist der Anbau von Eukalyptus (Zellstoffindustrie) als mittlerweile wichtigster Wirtschaftszweig des Landes. Der Anbau führt rasch zur Devastierung des Bodens und verdrängt Teile der Tierwelt und den autochtonen Wald eine der nicht nachhaltigen und kurzsichtigen Alternativen.

Noch ist mehr als ein Drittel Portugals ist bewaldet. Die daraus gewonnen Waldprodukte und Früchte finden in der portugiesischen Industrie Verwendung. Die Nachfrage nach Kork, Harzen und Kiefernholz ist in der letzten Zeit gestiegen. Die Weinproduktion wächst, den ersten Platz in der Welt nimmt das Land mit dem Export von Tomatenmark ein. Durch diese Einnahmen können die Kosten für die fehlenden Fleisch- und Getreidevorräte durch Import fast ausgeglichen werden. Außerdem werden große Erträge bei Kartoffeln, Getreide und Oliven sowie Tomaten als Früchte erwirtschaftet. Lange Küsten und reiches Fischvorkommen begünstigen die Fischindustrie, v.a. Thunfisch, Sardellen und Sardinen, inzwischen auch wieder Kabeljau im Nordatlantik. (siehe dazu auch: www.ict-ccast.eu 2012, 27.4.15)

Auch: Portugal – das Land des Weines und der Korkeichen (https://www.landwirtschaft-bw.info/…/Portugal%20-%20das%20Land%20d…)

Ökologisches Grundlagenwissen und rechtliche Voraussetzungen für die Planung – alles da, aber die Umsetzung ist kompliziert

Eine Bestandsaufnahme des gesamten Landes, beruhend auf einem Datenbestand von 2000 bis 2009 liegt flächendeckend in unterschiedlichen Maßstäben vor. Dort wird auch aufgezeigt, wie die verschiedenen Planungsebenen und -instrumente ineinander greifen und wie „abgeschichtet“, also Aussagen und Maßnahmen für die nachfolgenden Ebenen konkretisiert werden können. Die Integration Portugals in das Europäische Netzwerk Natura 2000 steht außer Frage. 

Da Portugal ein sog. Zentralstaat ist und die Regionen zwar jeweils über „Außenstellen“ der Ministerien verfügen, laufen Entscheidungen zu Fragen des Naturschutzes in Lissabon zusammen. Die Kommunen haben insofern relative Planungshoheit, als sie über ihre kommunale Entwickung selbst bestimmen (Baugebietsausweisungen, Infrastrukturausbau etc.). Das können sie natürlich nur, wenn Mittel zur Verfügung stehen und auf der Grundlage eines politisch beschlossenen Entwicklungsplanes, der auch ökologische Anforderungen berücksichtigen sollte. Für Lissabon liegt ein solches Konzept vor, viele andere Kommunen verfügen noch nicht darüber.

 

Lissabons Sicherungskonzept ökologischer Achsen für Frisch- und Kaltluft, für eine Biotopvernetzung auch hinein in die Landschaft, aus: Magalaes, Manuel Raposo 2013: Estrutura Ecologica Nationa, uma Proposta de Delimitacao e Regulaentacao, Centro Estudos de Architectura Paisagista „Professor Caldeira Cabral“, Universidade Lisboa, Seite 184.

Das Instrumentarium der Landschaftsplanung und die Vorgehensweise entspricht dem deutschen Systen, da der „Begründer“ der Landschaftsplanung in Deutschland studiert hat. Natürlich fehlt hier die Mittelebene, es fehlt auch an systematisierten Bewertungsverfahren, v.a. zur Landschaftsbildbewertung, obwohl gerade hier im Alentejo den Planerinnen und Planern ihre historische Kulturlandschaft bewußt ist und ihr Verlust rasant voran schreitet. Viele Olivenhaine werden aufgegeben, Korkeichenwälder werden nur noch teilweise gepflegt und bewirtschaftet. Die Nutzung von Kork erlebt gerade durch den Tourismus neuen (kitschigen) Aufschwung. Immerhin.

Rural Tourism heißt, wie früher bei uns, noch viel zu oft alte, abgewöhnte Möbel in einen ungenutzten Teil des Hauses zu stellen u d auf schnelles Geld hoffen. Dass die Gäste inzwischen anspruchsvoller geworden sind, diese Erkenntnis sickert langsam durch. Klar, das ist nicht einfach zu realisieren in einer Zeit der Krise, wo jeder Euro zweimal umgedreht werden muss. Aber es ist der einzige Weg, auch der Zusammenschluss und die Zusammenarbeit an einem gemeinsamen Tourismusprodukt fehlt noch weitgehend. Gute Beispiele gibt es natürlich, vereinzelt.

Grundlage dafür sollten natürlich die Voraussetzungen des Naturhaushaltes sein, damit es nicht so endet wie an der zugebauten Küste mit Wohnburgen und nur noch wenigen naturnahen Strandabschnitten.

Nationalparks und Naturschutzgebiete auf Grundlage der CBD, zusätzlich existiert noch die Schutzkategorie „Regional Park“, ebenso wie in Deutschland zum Schutz der Kulturlandschaft, ebenda., Seite 154.

Leider stand mir kein Scanner zur Verfügung, daher vorläufig unbearbeitete Fotos.  

Dichter, Denker, Philosophen und anderes Geschriebenes – Portugiesisch fühlen, träumen, weinen, lachen und vor allem essen …

Eine kleine persönliche Auswahl, allzuviel ist auf deutsch nicht zu bekommen, als e-Book noch weniger. Natürlich Pessoa, auf den hier nicht verwiesen wird.

  
Pessoa sitzt immer noch in Lissabon’s Cafegarten herum

Antonio Tabucchi, Lissabonner Requiem, München 1991

Zwölf Stunden an einem sehr heißen Sommertag in Lissabon zwischen Traum und Realität, Vergangenheit und Gegenwart, verschwimmen Zeit, Raum und Personen in einem unauflösbaren Fluss und enden an der Mole des Tejo, natürlich mit Pessoa bei Vollmond. So morbide wie die Stadt selbst.

 Annegret Heinold, 111Gründe Portugal zu lieben, eine Liebeserklärung an das Schönste Land der Welt, Berlin 2014

Leitete 20 Jahre ein Gäste- und Seminarhaus, wohnt jetzt seit 2005 in Nordportugal auf einem Bauernhof und schreibt. Viele intersannte Hinweise, Tips und intime Infos über das Land, v.a. zu Lissabon und aus dem Alltäglichen. Ganz leicht wegzulegen und manchen auch nachzuleben; eine Reisebuch zum Mitnehmen.

 Jorge, Paradies ohne Grenze, Frankfurt am Main 1997

Ein sehr schräges Buch im Aussteigermillieu Lissabons der 80er Jahre. In einem zum Abbruch bestimmten Hauses leben sechs junge Leute, die nichts mit ihrer Vergangenheit zu tun haben wollen. Alle gehen bis an ihre Grenzen ohne Rücksichtnahme auf andere oder gesellschaftlichen Konventionen. Einer der riskanten Wege endet mit dem Tod eines im Mittelpunkt stehenden jungen Mannes. Damit sind die Grenzen tatsächlich überschritten. Beobachtend beschrieben von einer „Schriftstellerin“, die lediglich als Beobachterin ‚von außen‘ zusehen will, aber bereits mitten drin steckt. Nichts zum einfach weglegen.

Lidia Jorge, Die Küste des Raunens, Frankfurt am Main 1993

„Ein unerträgliches Übermaß“ an Harmonie in einem Koloniealhotel im indischen Ozean entwickelt sich zum politischen Krimi, der Portugals Kolonialgeschichteaufgreift. Erzählt von der tiefen Traurigkeit auf der einen Seite, auf der anderen von der grenzenlosen Blauäugigkeit und Arroganz einer Kolonialmacht.

 José Saramago, Die Stadt der Blinden, Hamburg, 1997

Menschen erblinden, als sie in der Nähe eines erblindeten Autofahrer waren. Blindheit breitet sich als Epidemie aus. Ein Staat reagiert brutal und interniert die Erblindeten, wo sie sich selbst überlassen bleiben. Eine Liebende scheint Hoffnung bringen zu können und ein Ausbruch soll alles verändern. Ein Motiv fast wie aus Verdi’s Aida.

Antonio Tabucchi, Erklärt Pereira, München 1997

(studierte Geisteswissenschaften in Paris und Pisa, Professor für die portugiesische Sprache und Literatur an der Uni Genua; lebte in der Toskana und in Portugal, wo er 2012 starb. Erklärt Pereira (Sostiene Pereira, 1994), in der Zeit der Salazar-Diktatur, ist bis heute seine wichtigste Arbeit) 

Pereira, ein Kulturjournalist, jahrelang Lokalreporter, gerät an drei junge Menschen, die seine anfängliche naive Hilfsbereitschaft, vielleicht aufgrund seiner Einsamkeit leicht gegeben, fordert am Ende eine Entscheidung, die sein Weltbild auf den Kopf stellt und ihn letztlich zwingt das diktatorische Salazarportugal zu verlassen. Eine philosophische Auseinandersetzung mit den eigenen Werten und dem „aufrechten Gang“.

Ralph Duti, Soutines letzte Fahrt, Göttingen 2013

Über das besetzte Paris, die Krankheit des russisch-jüdischen Malers Chaim Soutines, eine letzte Fahrt, die 24 Stunden dauert und dem Traum von der Anerkennung und plötzlichem Erfolg – über Repressionen und Furcht vor Entdeckung „vor der Zeit“.

Sylvia Roth, Ein Jahr in Lissabon, Reise in den Alltag, Freiburg im Breisgau 2012 – e-Book

Jedem Monat wird ein besonderes Erlebnis gewidmet. Sie hat ein Jahr in Lissabon gelebt, so dass die Erzählungen vor allem von dort stammen. Ein Buch, das darauf vorbereitet Portugal mit großer Gelassenheit zu begegnen. Mitzunehmen, wenn man Lissabon entdecken will.

Simon Kamm, Portugal: ein Länderporträt, Berlin 2014

Auch ein e-Book, das „intime“ Informationen über das Land gibt und eher den Charakter eines Reiseführers hat. Lohnt, weil es einfach mitzunehmen ist auf dem i-Päd.

Und doch noch ein „Standard“ der Weltliteratur:

Fernando Pessoa, Oh Lissabon, meine Heimat: Der Dichter als Flaneur, auch als e-Book – vor allem mit Tollen Zeichnungen.

Darüber muss nichts gesagt werden! ein Pappmaschee-Pessoa im schönsten Buchladen von Evora.

 

Reiseführer ohne Ende, auch noch unendlich viel weitere Weltliteratur und eine Menge toller Filme, v.a. natürlich über Lissabon. Gern erwarte ich Ergänzungen.




Leben in Portugal – heute

Der „Reformprozess in Portugal“ – ein Weg finanzieller und produktiver Schieflage

Gemessen an seinem Bruttoinlandsprodukt liegt Portugal an der 19. Stelle im Ranking der EU-Staaten. Und natürlich ist auch an diesem Land die aktuelle internationale Krise nicht spurlos vorübergegangen, im Gegenteil: Portugal wird immer wieder genannt, wenn es um die Frage geht, bei welchen EU-Mitgliedern der Staatshaushalt möglicherweise „auf der Kippe“ steht.

Die Krise hat Portugal seit mindestens 2009 fest im Griff, auch wenn die EU und ihre Troika von „wesentlichen Fortschritten“ sprechen und Portugal eine gangbare Zukunft bescheinigen. Die EU fordert aufgrund ihrer Finanzhilfen „einen tragfähigen Kurs“, um die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft zu errreichen. „Nach Irland und Spanien ist Portugal das dritte Land, das sein Hilfsprogramm erfolgreich beendet hat und sich wieder eigenständig am Kapitalmarkt finanziert.“ (BMF/Web/DE/Service/Monatsbericht vom 19.12.2014)

Der Reformweg ist nicht abgeschlossen, sondern wird noch Jahre fortdauern und die staatlich verordnete Haushaltskonsolidierung wird durch vereinbarte Strukturreformen fortgesetzt. Dass diese Strukturreformen die kurze Periode „individuellen Aufstiegs“ eines großen Teils der Gesellschaft zunichte gemacht hat, ist offensichtlich.

Vor dem Ausbruch der Wirtschaftskrise hatte Portugal etwa ein Jahrzehnt ein schwaches Wirtschaftswachstum erlebt, dass für die Mehrheit der Bevölkerung zum ersten Mal „fühlbar“ werden ließ, dass „es aufwärts geht“ und man sich – im Gegensatz zu früher – „etwas leisten konnte“. Größeres Wohneigentum, die eigene Waschmaschine und allem voran ein Auto verschleierten.

Eine dieser „Randnotizen“ ist, dass in der Zeit des Aufschwungs viele Portugiesen stärker auf ihre Gesundheit achten konnten, zeigt sich u.a. daran, dass sie sich Zahnersatz leisten konnten, überhaupt gesundheitliche Vorsorge vornehmen konnten, was nunmehr wieder stärker vernachlässigt werden muss.

Da jedoch die geringe Produktivität blieb, ging die viel zitierte „Party“ des rasanten Aufschwungs, wie ihn beispielsweise Irland und zum Teil auch Spanien vor einem herben Abschwung erlebten, rasch zu Ende und war in Portugal ohnehin wesentlich geringer ausgefallen. So war das Wachstumspotenzial mit einer nachlassender Wettbewerbsfähigkeit und tiefgreifenden strukturellen Hemmnissen stetig gesunken, was die einsetzende weltweite Krise besonders schmerzhaft werden ließ.

Zudem nahm die Auslandsverschuldung Portugals weiter zu, so dass ab 2009 mit der erwähnten globalen Finanz- und Wirtschaftskrise das Haushaltsdefizit und die Staatsverschuldung den europäisch vereinbarten Rahmen sprengte. Das führte dann auch dazu, dass das Vertrauen aus- wie inländischer Investoren schwand, Risikoaufschläge auf portugiesische Staatspapiere hingegen steigen und so eine eine tragbare Kapitalmarktfinanzierung fehlte.

Portugal musste unter den sog. „Rettungsschirm“ schlüpfen und im Mai 2011 ein dreijähriges makroökonomisches Anpassungsprogramm (Hilfen der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF), des Europäischen Finanzstabilisierungsmechanismus (EFSM) und des Internationalen Währungsfonds (IWF)) von 78 Mrd. € in Anspruch nehmen, wovon Portugal 75,4 Mrd. € abrief.

Die Troika (Europäischer Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und IWF, Vertreter (nicht gewählt oder durch eine Kommission kontrolliert) hat eine Reformagenda ausgehandelt. Das Programm hatte und hat es zum Ziel, „den Staatshaushalt dauerhaft zu sanieren, den Finanzsektor zu stabilisieren und über strukturelle Reformen das Wachstumspotenzial zu stärken“. Im Frühsommer 2014 hat Portugal dieses Programm beenden können und die Repression vorerst abstreifen können.

Seit 2013 wird von einen Wirtschaftswachstum von 0,9 % ausgegangen (BMF 2014). Konsum und Investitionen im Privatsektor wachsen angeblich, erreicht durch eine Mischung aus Effizienzverbesserungen und Lohnzurückhaltung. Die Menschen hier erzählen anderes und empfinden anderes.

„Die Exportquote des Landes ist von 28 % des BIP im Jahr 2009 auf rund 40 % im Jahr 2014 gestiegen. Die Ausfuhren nach Deutschland, dem weltweit zweitgrößten Abnehmer portugiesischer Warenexporte, wuchsen ebenso wie etwa jene in die sprachverwandten Länder Angola, Brasilien und Mosambik.“ (BMF/Web/DE/Service/Monatsbericht vom 19.12.2014)

„U. a. die deutsche Automobilindustrie einschließlich ihrer Zulieferbetriebe sehr präsent und trägt zum Export des Landes bei. Wesentlicher Treiber der Dienstleistungsexporte Portugals ist der Tourismus.

Der Aufschwung zeigt sich inzwischen, so die offiziellen Statistiken, auch am Arbeitsmarkt. Die Beschäftigung steigt. Mit einem Durchschnittswert von 14,5 % für 2014 ist die Arbeitslosenquote zwar noch immer sehr hoch, liegt aber bereits 2 Prozentpunkte niedriger als noch im vergangenen Jahr (die Jugendarbeitslosigkeit ist noch erschreckend hoch, mit derzeit 32,2 %. (BMF/Web/DE/Service/Monatsbericht vom 19.12.2014) Erreicht wurde dies durch die Senkung der Staatsausgaben, vor allem durch Stellenabbau im Öffentlichen Dienst (Bildung, Gesundheit etc.) und einer erheblichen Kürzung der Gehälter, der Pensionen und der Ausweitung der Wochenarbeitszeit auf 40 Stunden. Urlaubs- und Feiertage wurden gleichfalls reduziert. Das haben die Portugiesen fast widerspruchslos hingenommen, große Demonstrationen und Aufrufe zum Generalstreik finden auch noch heute (demnächst im Juni 2015) fast nur in Lissabon statt. In den ländlichen Regionen mit überwiegend landwirtschaftlicher und touristischer Wirtschaftsgrundlage wurde und wird kaum protestiert.

Heraus zum ersten Mai – Hoch die internationale Solidarität

Das Plakat kündigt an, Realität ist eine andere. Auf dem Zentralplatz spricht die Gerwerkschaft über soziale Gerechtigkeit und Arbeitslosigkeit, oder so ähnlich, vor wenigen Menschen, sicherlich unter Hundert. Es gibt noch jede Menge freier Stühle. Davon war auf dem Plakat zum ersten Mai nichts zu lesen. Auf dem Platz des 1. Mai soll ab 10.30 Musik spielen, gegen 12.30 Uhr beginnt der sound check, eine lange Tafel ist aufgebaut, der Grill ist angeschmissen und das Bier läuft. Diejenigen, die der Kundgebung vom Morgen zugehört haben, tragen Tische und Stühle in den Schatten und gehen zwei wichtigen portugiesischen Beschäftigungen nach: Essen und trinken und reden!

Die große Kundgebung auf dem Theaterplatz beginnt laut Ankündigung 14.30 Uhr, etwa eine Stunde Aufstellung in praller Hitze, 500 Leutchen und fast so viele rote Fahnen sind angetreten, ich bin eine davon; natürlich keine rote Fahne. Warten bei Blechmusik aus einem Lautsprecher auf dem Auto und dann eine geschriehene Kurzansprache. Der selbe Weg wie zur Osterprozession wird „marschiert“, das Ende ist allerdings ein anderes. Auf dem Platz 1. Mai steht schon seit gestern eine überschaubare Bühne.

   Rote Fahnen sieht man besser, auch heute noch

Zwei geschlagene Stunden reden mindesten 6 Leute, aber es ist die erste Maidemo mit Stühlen und Tischen. Viele habe ihr Picknick mitgebracht, ansonsten heißt es in einer irre langen Schlange anstehen. Stuhl oder Schlange ist die Entscheidung. Meine fällt für den Stuhl aus. Ab 17.00 Uhr spielt dann Grupo Banza. Wer mithören will: www.grupobanza.net. Musical populär Alentejo, genau so ist es. Fast alle können alles mitsingen, von kleinen Witzchen zwischendurch sind alle begeistert, ich bin draußen.

Kleine Mädchen mit rosa Schleifen im Haar schwingen rote Fahnen der Gewerkschaft oder doch nur wegen der Kekse

Nach zwei Stunden Musik gehen alle brav nach Hause, heute ohne grandola, villa morena. Der Stammtisch der traditionellen „Alten“ des Alentejo. 

Nachtrag:

Paroli- Paroli … 

Zum mitsingen, -schreien, -grölen

Landesweiter Sportwettbewerb zwischen den Schulen – dieses Mal in Evora

aufmarsch, ein zu großes Wort, eher ein Schreiendes Treffen der Schulen, die sich an Lautstärke zu überbieten suchen, ihre „Schuluniform“ tragen und sich gegenseitig „anheizen“ und den Namen der Stadt rausschreien, aus der sie kommen. Alle treffen sich auf dem zentralen Platz und, gepuscht von einem „Marktschreier“ der die einzelnen Schulen aufruft, ziehen sie nach kurzer Sammlung in die „Arena“, um ihre Teams zu präsentieren. Aber es wird kein Gladiatorenkämpfe ausgetragen, auch wenn sich die sanierten Namen fast so anhören. Fühlt sich ein bißchen amerikanisch an, der Chearleader ist allerdings dick und unsportlich, aber laut genug mit seinem Micro, morgen, bei der Maidemo wird er keine Stimme mehr haben.

Er organisiert die Reihenfolge des Zuges, der fröhlich und eigentlich unorganisiert in Stadion hüpft. Zwischendurch machen die Mädchen die Jungen an, die Jungen schubsen die Mädchen vorwärts und Eltern sind begeistert von ihrem Nachwuchs. 

Grazien in langen Glitzerkleidern folgen dem Zug, einige Damen haben ein Minicocktailkleidchen an, ich meinen Kaschmirpullover. Wer schön sein will, muss frieren.

Morgen geht es also „heraus zum ersten Mai“. Der startet moderat: 10.30 erstmal Musik, dann Frühstück, wir würden vielleicht Frühschoppen sagen, 14.30 dann Manifestation im Park. Vermutlich werden viele im schönen Parkkaffee verschwinden, aber davon dann mehr. Ich werde zwar nix versehen, aber meine Solidarität ist ihnen gewiß, bei 34% Jugendarbeitslosigkeit gar keine Frage.

Was wohl gesungen wird? Denn gesungen wird in jedem Fall, das ist ganz portugiesisch. „Brüder (Schwestern) zur Sonne, zur Freiheit …“ wird’s wohl nicht sein.

 
Das ist das Team aus Porto … Who will be the winner …?

der sarrabulho

„… ich habe ihn eingeladen, sarrabulho zu essen. Herr Casimiro beeilte sich die Tür zu öffnen, und ließ uns den Vortritt. (…)

Der sarrabulho wurde auf einer dieser Platten aus braunem Steingut mit einem Relief aus gelben Blumen gebracht, wie man sie auf dem Markt kaufen kann. Auf den ersten Blick sah er widerwärtig aus. In der Mitte des Tellers schwammen die Kartoffeln in geblichenem Fett, und rundherum lagen das geschnetzelte Schweinefleisch und der Kittelfleck. Das Ganze war vollgesogen mit einer dunkelbraunen Sauce, die wahrscheinlich mit Wein oder gekochtem Blut zubereitet worden war, ich hatte keine Ahnung. So etwas esse ich zum ersten Mal, sagte ich, inzwischen kenne ich Portugal seit vielen Jahren, ich bin durch das ganze Land gereist, aber nie habe ich den Mut gefunden, dieses Gericht zu essen, … (…)

Ich spießte ein Stückchen Fleisch mit der Gabel auf und führte es mit beinahe geschlossenen Augen zum Mund. Es war köstlich, ein Gericht von erlesenem Geschmack. (…)

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der sarrabulho – sieht doch nicht so schlecht aus (internet, 29.4.2015)
… das wahre sarrabulho bereitet man in meinem Dorf mit Polenta zu, aber ich hatte heute kein Maismehl, deshalb habe ich Kartoffeln genommen, (…) hören Sie, man nimmt Schweinslende, Schweinefett, Schmalz, Schweineleber, Kittelfleck, eine Tasse gekochtes Blut, eine Knolle Knoblauch, ein Glas Weißwein, eine Zwiebel, Öl, Salz, Pfeffer, Kümmel. (…) das Fleisch am Abend davor vorbereiten, die Schweinslende in kleine, regelmäßige Stückchen schneiden und sie in dem gehackten Knoblauch, dem Wein, dem Salz, dem Pfeffer und dem Kümmel marinieren, dann haben Sie am nächsten Tag ein ganz zartes, duftendes Fleisch, in einem anderen Tontopf schneiden Sie das Fleisch des Blättermagens, beziehungsweise das Fett, das die Kutteln zusammenhält, und lassen es bei kleiner Flamme köcheln, während sie das Geschnetzelte im Schmalz bei großer Flamme anbraten und dann langsam dünsten lassen. Sobald das Fleisch fast durch ist, gießen Sie die Marinade vom Vorabend darüber und kochen sie ein. Inzwischen schneiden Sie die Kutteln und die Leber klein und braten sie im Schmalz an, bis sie schön goldgelb sind. In einer anderen Pfanne rösten Sie die gehackte Zwiebel in Öl und gießen die Tasse gekochtes Blut darüber. Dann verrühren Sie alles in einem Topf, und fertig ist der sarrabulho, wenn Sie möchten, können Sie auch noch etwas Kümmel dazutun, und das Beilage servieren Sie Kartoffeln, Polenta oder Reis, aber mir ist Polenta am liebsten, denn so macht man es in meinem Dorf, aber es ist kein Muß.“

(aus: Antonio Tabucchi, Lissaboner Requiem, München 1991: 41 ff.)