Über den Tejo auf die andere Seite Lissabons

Mit der Fähre geht es ganz schnell. 12 Minuten Schiffchen fahren, ein kleines Kurzes Gefühl von der großen Seefahr und Wind um die Nase, schon ist die Fahrt vorbei: In Cacilhas gelandet.

Die Hafenindustrieanlagen sind inzwischen alt und verrottet, der Fischfang bietet kaum noch eine wirtschaftliche Perspektive und lange Zeit „dümpelte“ diese Seite der Stadt ein wenig vergessen vor sich hin. Inzwischen ist das anders geworden – aus verschiedenen Gründen

– um 2000 hat die EU mit zahlreichen Projekten zur regionalen und urbanen Entwicklung dieses Gebiet gefördert,

– da man dort preiswerter lebt als in Lissabon sind viele Imigranten aus den ländlichen Regionen dort geblieben und pendeln täglich in die Hauptstadt (auch auf der Suche nach Arbeit)

– Neue engagierte Stadtverordnete und ein aktiver Bügermeister setzten auf Tourismus und bringen die Stadt und ihre Einwohner in Schwung.

Eine der ersten Initiativen war es eine Fußgängerzone einzurichten und die Privatbesitzer von Häusern zu animieren sie zu renovieren und zu modernisieren. Dies aber in einem typischen portugiesischem Stil, um den Charakter und die Identität des Ortes wieder  zu beleben. Dabei hilft intensive Beratung durch Architekten und die Unterstützung bei der Finanzierung. Noch haben nicht alle die Überzeugung, dass dies der richtige Weg ist und die Stimmen, die glauben schon jetzt seien zu viele Touristen da, mehren sich.


Auf dieser Seite des Tejo leben nicht nur ein paar Menschen. Unmittelbar gegenüber ist die Bevölkerung auf 200.000 gewachsen, in der etwas weiteren Region leben weitere 200.000, ein dicht besiedelter urbaner Raum also. Zersiedlung ist ein zentrales Thema, das auch mit der Erhaltung der Kulturlandschaft konkurriert. Aber was ist das Typische dieser Landschaft?

Noch ringen  Engagierte um Kriterien und Instrumente für deren Sicherung, denn Naturschutz, der ausschließlich ökologische Momente anerkennt, wird nicht ausreichen.

Wo Wasser zu Wein wird

33 Wasserverteilstationen haben seit dem 18. Jahrhundert viele Jahrzente die Einwohner Lissabons mit frischem Wasser aus ihrem Aquädukt und verschiedenen Wasserreservoirs versorgt. Das Wasser war ein „Allgemeingut“ und so für alle kostenfrei. Separate Leitungen, die über hunderte Kilometer die Stadt unterirdisch durchzogen und von denen noch viele begehbar sind, lieferten ausreichend Trinkwasser für alle. Schon damals sammelte man in Zisternen „braunes“ Wasser, Brauchwasser, meist Regenwasser, mit dem Tiere getränkt  und Gärten gegossen wurden.

Bereits 1571  wurden Überlegungen angestellt Wasser von der stadtnahen Quelle Águas Livres per Viadukt nach Lissabon zu führen. Da zwei Jahre zuvor hatte eine Pestepidemie tausende Todesopfer gefordert hatte, war das Land stark geschwächt, personell wie finanziell. Dann fiel 1580 Portugal für viele Jahre an Spanien, so dass in dieser Abhängigkeit Modernisierungprojekte unterblieben. Lange 200 Jahre bis zur Unabhängigkeit von Spanien herrschte Stillstand.
Goldfunde in Brasilien ließen Lissabon im 18. Jahrhundert wieder aufblühen, die Stadt wuchs auf 200.000 Einwohner heran. All die Menschen brauchten Wasser. So erinnerte man sich an die alten Planungen für eine Wasserleitung. 

1748, nach 16 Jahren Bauzeit, ging der  Aquädukt Águas Livres in Betrieb und es überstand sogar  das verheerende Erdbeben von 1755 unter anderem deshalb, weil er außerhalb der Stadtgrenzen lag und daher von den Erschütterungen nicht unmittelbar erfasst wurde. 

Die Wasserverteilstationen waren in der Stadt verteilt, so dass alle Quartiere versorgt werden konnten. Allerdings ging der Aquädukt bereis wenige Jahre nach Fertigstellung zugunsten einer moderneren und individuellen Wasserversorgung von Bevölkerung und vor allem der Industrie außer Betrieb. Heute ist er zu einer touristischen Attraktion geworden, ebenso zu besichtigen wie das Mae d’Aqua, eine der historischen Wasserverteilstationen, die noch mit Wasser gefüllt sind (ehemals 880.000 Liter) und heute als Konzerthalle dienen oder das Wassermuseum mit seinen alten Dampfmaschinen.

Von Anfang an nutzten auch Händler die komfortable Brücke über das Tal. Eine charakteristische Erscheinung des 18. und 19. Jahrhunderts waren zudem Träger, die das in Fässer abgefüllte Wasser von Lissabon an den Mann und die Frau brachten. Seit 1967 fließt kein Wasser mehr durch den überdachten Kanal des Aquädukts.

Heute werden die alten Wasserverteilstationen z.B. als Restaurant oder Bar genutzt, wie diese, die wir besucht haben.
 

Heute ist in einem dieser Wasserverteilstationen eine wunderbare Weinbar zu besuchen, die einen kleinen Einblick in das alte  ausgeklügelte Wassersystem gestattet und ihren Wein 100 Meter tief in den alten Stollen gekühlt lagert. Na denn, Prost, Saude (!) (http://www.chafarizdovinho.com/en/index.htm)

Am nächsten Tag: ab ins Wassermuseum und ins Mae d’Agua das Amoreiras.

Auf in den Süden: mit Studierenden an einen unbekannten Ort

Mit der großen Freiheit Projekte und Projektideen selbst entwickeln zu können, hatten meine Kollegin Ema von der Universität Evora und ich überlegt und beschlossen ein weiteres gemeinsames Projekt zu initiieren, denn
– gemeinsam zu arbeiten macht uns Freude,
– wir finden es wichtig für die deutschen und portugiesischen Studierenden internationale Kontakte zu knüpfen und andere Kulturen, auch Planungskulturen kennen zu lernen und
– vielleicht können wir mit frischen und überraschenden Ideen einen klitzekleinen Beitrag zur touristischen Entwicklung von Castelo deVide, einer ländlichen Region nahe der spanischen Grenze, beitragen: rural sustainable Tourism.

Die Vorbereitungen von unserer Seite waren nicht einfach. An genaue Plangrundlagrn gewöhnt Scheit es für uns im Moment noch schwierig das Planungsgebiet zu fassen. Sprachliche Probleme lassen dies nicht einfacher werden, denn die Unterlagen, die wir bislang auswerten könnten, weisen noch viele Ungenauigkeiten, Unschärfen und Lücken auf, so dass die Zieldefinition der Aufgabe weiterhin offen, sehr weit offen ist.
Worum wird es voraussichtlich gehen?
Eine Talsperre, die vorwiegend zur Energieerzeugung dient, soll touristisch mit dem Ca. 15 Kilometer entfernten Castelo verbunden werden, das wiederum an ein waldreiches Naturreservat angrenzt. Besonderheiten, die sich aus bisheriger Sicht zeigen sind:
Olivenhaine, Korkeichenwälder, Menire und Rundsteinhäuser, die vermutlich früher von Hirten und ihren Tieren genutzt wurden und heute verfallen, Aussichtspunkte von höheren Berghängen, Wander-, Rad- und Reitwege, historische Gebäude, jüdische und maurische Kultur, Wasserflächen und vielleicht Wassersport, Energieerzeugung aus natürlichen Ressourcen, einen gigantischen Sternenhimmel, Natur eben.
Wir denken nach über „Wohnen an ungewöhnlichen Orten“, „Natur hautnah – die Hize des Tages, 1000 Sterne in der Nacht“, „Spuren der Hirten- in der Steinzeit“ und hoffentlich noch viel mehr.

Was werden wir noch entdecken  ? Morgen geht’s los!