Eine wunderbar schattige Radtour entlang des Po bringt uns unabhängig und rasch ins Zentrum. Dafür ist unser Standort auf einem etwas zu läuten Camping ideal. Mehr sollte es ja auch nicht sein. Für unsere Stippvisite reicht das vollkommen aus.
Es ist die erste Stadt in der wir auf Radwegen durch breite Straßen Gondeln, verkehrt herum – wie alle anderen auch – Einbahnstraßen entlang Düsen und ebenso chaotisch alleS mögliche überholen wie die „Eingeborenen“.
Quadratisch aufgebaute Quartiere bestimmen die Struktur, hoch aufragende Palazzi zeugen von altem Reichtum und heutigem Erbe, aber im Zentrum ist von Wohnen nichts zu spüren. Bars, Cafés, Banken, Büros, Eisdielen, Mode- und Schmuckboutiquen, Herrenausstatter säumen die Straßen. Leben geht anders. Eine reservierte Gelassenheit zwischen Prunk und Protz, zwischen Geld und dessen zur Schaustellung bilden das heutige Ambiente für eine historisch glanzvollen Rahmen. Alles beeindruckend, toll anzuschauen, lecker gekrönt von der Eisdiele, die ihre Schleckermäuler schon seit 1947 verwöhnt.
In den 1930er Jahren hat Turin sich mit einer erst dann gestalteten Prachtstraße neu erfunden und noch mehr feudales in seine Mitte gezaubert, mit deinem brutalen Vorschlaghammer Altes gegen Neues getauscht. Eine Veränderung in einer Zwischenkriegszeit, die mit dem Faschismus radikal endete.
Wer die treibenden Kräfte dahinter waren, wissen wir nicht. Das muss ich im Nachhinein noch mal recherchieren. Bologna und Turin im Vergleich:
Es lohnt beide Städte zu besuchen, beide sind „schön“ und spannend,
Bologna pulsiert auf eine charmant-zugewandte, etwas vernachlässigte Weise,
Turin glänzt elegant-abweisend bis abwartend mit ihrer beeindruckend imposanten herrschaftlichen Architektur, in ihren Dimensionen etwas aus den Fugen geraten,
beide echte Radfahrstädte, was per se schon für sie spricht.
Auf jeden Fall besuchen, auch die neue Stadt- und Freiraumplanung ist sehenswert. Studieren dort ist bestimmt anregend.
Im übrigen waren wir in Turin ca. 4 Stunden im Museum für Film(Geschichte), was wirklich toll war. Und unsere Radtour am Po entlang war ebenso ein turinisches Highlight.
Serre-Ponçon, seine Bäche, die die Durance speisen, sich in tiefe Schluchten stürzen aus mehr als 2500m Höhe, verlockt nur bedingt zum Radeln. Wandern, besser noch Klettern wäre hier die bessere Alternative: definitiv im Frühjahr oder Herbst vor dem großen Regen.Aber wir haben Sommer, einen Camingplatz mit Schwimmbad, abends mit Gitarrenmusik und Querflöte, morgens mit Schatten und finden Wege, die sogar ich mit dem Rad schaffen kann – ok, zwischendurch schieben, klare Sache. Die 3-Seen, Stauseen mit dem „wilden“ Wasser der Durance, einer kleinen Bar und sehr flachem Ufer ist eine Idylle familiale unter alten Bäumen.
Wir radeln gefühlte drei Stunden, ein kleiner Ausflug mit Aussicht auf die französischen Seealpen und steile Weinhänge, kleinen Feldern und Wiesen und … Hunden, manche schwanzwedelnd, andere knurrend. Wir werden von Rennmaschinen mit mittelalten Männern überholt. Ich schäme mich ein bisschen weil wir sooooo langsam sind. Aber das geht schnell wieder vorbei.
Ein Reisetag Richtung Turino mit dem Wissen direkt in eine Gewitterfront zu fahren, bedeutet doch wie immer, der Weg ist das Ziel. Wir erlösen das Auto nach drei Tagen aus der Tiefgarage des Hospitals, denn das war die preiswerteste und Nächstliegende zu unserer Luxusbude. In der Garage hat es noch 26 Grad und steigert sich schnell. Sind wir ja gewohnt. Das Mittagspicknick auf einem Kinderspielplatz im Nirgendwo der Berge ist schattig und warm. Aber dann geht’s los. Wir müssen anhalten und bei einer Tankstelle unterschlüpfen, es ist außer großen Wasserlöchern und Sturzfluten von oben nicht mehr zu sehen. Gerd zögert noch immer und ich nörgele solange bis der Bus steht. Aber schon nach einer 1/4 Stunde kriechen wir weiter, nach Osten, während die Gewitterfront nach Westen zieht.
Als wir unseren angepeilten „Agriturismo“ erreichen hat es fast aufgehört mit der Dusche von oben. Schnell raus aus dem Auto und statt Sommerkleid lange Hose, Pullover und Gummischuhe an. Vordach auf, Stühle raus und auf Sonnenstreifen warten! 19.00 Weinprobe beim Bauern mit Essen und allem Schnick-Schnack …
Zwischenstation Faenza, Füße vertreten bei Mittagshitze, so bescheuert können nur Touris sein, wir leider auch. Was tun wir nicht alles für eine schöne Piazza.
Und dann endlich Bologna, nach gefühlten 45 Jahren ein Wiedersehen. Aber was ist Erinnerung, was wiederholte Legende und was hat sich verändert? Wir haben eine Wohnung,zum ersten Mal nach fast drei Monaten und bleiben für drei Tage. Langsam werden wir die Stadt erkunden. Die erste Bar haben wir schon besucht, Tip unserer Vermieterin.
Wir kommen nach einem halbstündigen Fußmarsch völlig durchnäßt ab in unserer feudalen Unterkunft für 3 Tage, Internetgeheimcode, um die Tür unter den Arkaden zu öffnen, hohe Decken, kühlen Mamorfußboden, Spiegelschrank im Schlafzimmer, kleinen Balkon zum Innenhof und glücklicherweise einen Ventilator, denn kleine Klimaanlage. Zentralheizung, brauchen wir gerade nicht.
40km Arkaden abzulaufen, mindestens 20 denkmalgeschützte Highlights besuchen, an einer der ältesten europäischen Universitäten vorbeischauen und in die Abschlußferiern auf der Piazza G. Verdi geraten, neue Architektur und alte Kanäle finden, in der Kräutermarkthalle Kaffee trinken, im Museum Modern Art eine beeindruckend-anstrengende Ausstellung zu Atomversuchen aller Nationen erleben, Apero nehmen, in der Eisdiele mit drei Hörnchen (mehr gibt es nicht als Auszeichnung) betörendes Eis schlecken, jeden Tag das durchweichte Kleid waschen und den ganzen anderen Touri-Kram auch mitzumachen, das ist Bologna.
Nach mehr als 45 Jahren ohne die blauen Bände unterm Arm und ohne zu wissen, was hier wirklich los ist, Tortelloni von Hand geformt kaufen (und kochen lassen), tolle Stoffe, schicke Schuhe, Kleider und Schmuck zu entdecken – nix zu kaufen, auch das ist Bologna. Die 6. größte Stadt Italiens, quirlig, jung mit 10.000 Studierenden und alt, mit sehr alten Alteingesessenen, unzähligen Kirchen, Palästen und inzwischen auch Autos. Dabei was Bologna mal eine, wenn nicht die erste Stadt, die ihre Altstadt autofrei halten wollte. Dennoch: hier wird viel und riskant geradelt auf möglichst alten Klapperkisten, die wenigstens nicht wegkommen, immer noch mit massiven Schlössern gesichert.
Nun, schaut selbst:
Dabei ist die antifaschistische Tradition am Rathaus für alle jederzeit präsent.
Und auch das ist zu finden:
Was wir noch gesehen haben: moderne Arkadenachritektur für viele Menschen zum Wohnen.
Bella tschau, bella tschau, meine Schöne … auf ein anderes Mal weniger heiß, hoffentlich.
Nach den Gartenmonstern schauen wir viele an Hänge geklebte Städtchen an, die alle verschieden und doch ähnlich sind. Früh mit Stadtrechten ausgestattet, reich an Patriziern, oft beherrscht von den Medicci, bestechen sie durch ihre Piazza, durch das herrschaftliche Rathaus und üppige Patrizierpaläste. Und Treppen, Treppen oder steile Wege. Freundlicherweise haben einige der Städtchen inzwischen sogar Aufzüge, die das Ganze erleichtern und es uns auch bei über 30 Grad (im Schatten) den Aufstieg zu wagen.
Wir waren in
Orvieto mit seinem gestreifenten Dom,
Todi, einen Sonntagsausflug machen, eine wunderbare Galerie besuchen und ein Hütchen für MM kaufen,
Montefalco, eine dicke Festung auf dem Berg für eine Nacht Kaffee, da der Caming, den wir nutzen wollten, schon voller Niederländer war und das Schwimmbad überfüllt,
Spello mit Kunst und Kultur und seiner 2-Sterne Kirche, die Montags geschlossen ist. Aber die Post hatte auf und das Hütchen ist nun auf dem Weg nach Agra,
Gubbio, mit vielen „Sehenswürdigkeiten“, kleinen Gassen, hohen Häusern, einem Museum mit mindesten 200 Stufen vom Fuß der Stadt bis zur hoch gelegenen Piazza. Außerdem einer Überraschung: eine Seilbahn mit offenen Körbchen befördert uns auf den Gipfel zur Wallfahrtskirche mit ganz wichtige nicht Reliquien von Jesus Christ. Außerdem 3 Prozessionsstatuen, die im Mai durch die Gegend geschleppt werden (300 kg und jede Menge Männer, die schleppen)
Cità di Castello mit der Burri-Foundation mit gleich zwei Museen für den Sohn der Stadt, der sich ganz der Moderne verschrieben hatte, kurz nach dem 2. Weltkrieg.
An Städtchen gäbe es noch viele mehr. Fürs erste reicht das fast. Wir werden in Bologna Station machen und für 3 Nächte in einem Appartement das Stadtleben auskosten. Dann ziehen wir weiter. Und nun die Fotostrecke:
Ein Lesetipp für alle, die gern was über die Mentalität von Menschen, Umbrien und alten Obstsorten lesen möchten, hier der Romantipp:
„Skrurril, schön, unheimlich: Versteckt in einem Tal nördlich von Rom gibt es einen Park mit bizarren, riesigen Skulpturen, aus rohem Stein gehauen und mit Moos bewachsen. Der „Heilige Wald der Ungeheuer” wurde im 16. Jahrhundert von einem Adeligen angelegt, geriet dann in Vergessenheit und wurde erst Jahrhunderte später von dem Künstler Salvador Dalí neu entdeckt.“ (aus einem begeisterten Reiseblog, abgerufen am 20.7.19)
Kämpfende Riesen, Götter und Sirenen, die Besucher, Gäste und vor allem den ehemaligen Hausherrn begeistern sollen, alle möglichen Sagengestalten, Götter und -innen, die noblen Familien verherrlichen, stehen in einem wilde nicht Wald, der jetzt ausgewachsen, viele ehedem gedachte Blickwinkel verstellt. Und der Zahn der Zeit hat schwer an den Riesen genagt.
„Orkus, der Gott der Unterwelt , lockt mit weit geöffnetem Mund Spaziergänger in seinen Rachen, zu dem eine Treppe führt. Innen steht ein Tisch, der zu einem Festmahl einlädt. Die rätselhafte Inschrift„Ogni pensiero vola” steht über seinen Lippen: „Jeder Gedanke fliegt“. (aus dem begeisterten Reiseblog, abgerufen 20.7.19)
Vicino Orsini, der letzte Feudalherr von Bomarzo, erträumte den Figurenwald und widmete ihn seiner 1564 verstorbenen Frau Giulia Farnese.
Mehr als 30 Jahre seines Lebens ließ er mehrere Künstler riesige Figuren aus Vulkangestein hauen, ein schiefes Haus sowie weitere seltsame Gebäude errichten und mit Inschriften versehen, die Kunsthistoriker bis heute nicht verstehen. Wir auch nicht!
Außerdem sollte man den Park ausschließlich bei Regen im November besuchen, sonst kann man sich weder richtig erschrocken noch fürchten. Wir hatten vollen Sonnenschein, so sind die Monster scheinbar geschrumpft, wie der Scheinriese bei Jim Knopf waren sie kein Bisschen bedrohlich.
Wir besuchen am Nachmittag Orvieto und den wunderbar gestreiften Dom. Was,für hübsche Zebras in Umbrien. Und innen erst! Da waren dann doch die Riesen am Werk.
Schroffe Felsformationen, Ebenen, versteppt, karg, endlos weit, Kühe und Schafe bewacht von wuscheligen Hunden, mit weit klingendem Geläut. Ur ab und zu ein paar Häuser, windschiefe Unterstände für Tiere und Hirten, so gut wie keine Menschen. Ab und an ein Refugium, das die Besucher mit Spezialitäten der Gegend versorgt. Gleich daneben Grills zur Selbstbedienung, sonst nichts.
Im Winter, so wird berichtet, bis zu 3m Schnee, Winde, die über die Ebene fegen, Kälte, Kälte. Bei Schneeschmelze Sturzbäche, tiefe Erosionsrinnen, breite Ströme Wasser, das nur kurz bleibt bis zur Sommertrockenheit mit wenigen Wasserlöchern für die Tiere.
Und nicht gesehen: Bären, Wölfe, Gämsen, Adler, Wildschweine, Stachelschweine. Letztere (die wilden ) haben wir in Kalabrien nachts über das Campinggelände toben hören, Gerd hat sie auch gesehen. Tür zu, empfohlen!
Keramik der Abruzzen hat Tradition und Zukunft. Wir finden nach vielen Kurven, Serpentinen und den obligatorischen Straßenlöchern das (!) Museum in dem (!) Ort,in dem auch die Uni für’s Keramikstudium angesiedelt ist. Es sind Ferien und wir dürfen dank der sehr freundlichen Mitarbeiterinnen auch die Werke der Studies und ihr eignes Museum/Archiv betreten. Wenn ich jemals Keramik studieren wollte, dann dort!
Altes wie Neues kurz bebildert:
Und Fische gaben auch als Semesterthema.
Begeisterung und froh, es gefundenen zu haben. Zurück zum Camping, abends bei Gewitterstimmung und echter „Kälte“, so 18 Grad, ein tolles Menü vor Ort.
Uninformiert, unvorbereitet wie fast immer, haben wir vor die 5 Schönheiten der Stadt zu besuchen.
Zuvor jedoch müssen wir (!!!!!) zu Decathlon. Gerds kurze Hose ist am Hintern durchgescheuert. Wie hat er das nur gemacht. Die Hose ist schließlich erst 10 Jahre alt und ich habe sie gerade geflickt.
Decathlon ist immer gefährlich für den Geldbeutel. Eine klitzekleine Hängematte für nur 10,-€, 2 Kletterhaken nur 7€, eine Matte vor den Bus (etwas größer als unser Erbstück) für nur 10€. Zeug, brauchen wir das wirklich? Wir kaufen dennoch und 2 Hosen, 1 T-Shirt für Gerd und ein zweites Paar Socken für mich. Muss jetzt am Kaffee gespart werden? Aber nein!
Dennoch: Decathlon ist jetzt fertig. Wir gehen nicht wieder hin.
Im Supermarkt finde ich die von Gerd langersehnte Salatschleuder zum Falten,noch 5,99€. Ok, das Leben!
Und endlich L‘Aquilla. Als wir uns der Stadt nähern, fallen uns als erstes die vielen Kräne auf und wir überlegen, was los ist. Im Hinterkopf rumort es: Erdbeben. Na endlich lesen wir.
2009 starkes Beben mit 300 Toten und vollmundigen Versprechungen von Berlusconi. 5 Jahre später, nix passiert an Wiederaufbau, 5 werden verhaftet und 12.000 Personen in Neubauten am Rand der Stadt untergebracht. Wer hat woran verdient und wo sind die Subventionen für den Wiederaufbau nur geblieben?
2016 das nächst Beben, erwartet weniger Stark, nur 6,5 auf der Richterskala und weitere Zusammenbrüche der alten Bauten.
2018 nich ein Beben.
Heute ist die Stadt geschient und in Gerüste gelegt. Viele Häuser sind schon wieder saniert, aber überwiegend leer, unbewohnt.
Der Stadtkern macht den Eindruck einer Geisterstadt – sehr bedrückend, berührend. Seit letztem Jahr sind einige Häuser fertig geworden und Menschen ziehen ein, vielleicht auch zurück, wenn die Renovierung bezahlbar bleibt.
Mut gehört auch dazu wieder neu anzufangen. Was bleibt ist die Hoffnung, dass das nächste Beben auch mehr als 200 Jahre ausbleibt, wie von 1758 bis 2009. In eine ungewisse Zukunft…
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