Planung in den USA ist grundsätzlich anders eingebunden in einen politisch-planerischen Prozess, als dies in Deutschland der Fall ist, auch wenn viele unserer Instrumente, wie die UVP, das Umweltinformationsgesetz oder Mediations- und Moderationsmethoden ursprünglich von den USA übernommen und in unser System eingebunden wurden.
Eine Hauptcharakteristika ist sicherlich, dass die amerikanische Kultur und das amerikanische Selbstverständnis von anderen Grundwerten ausgeht und daher Planungsprozesse anders gesteuert werden. Dabei darf grundsätzlich von einer auch heute noch schwierigen Beziehung zwischen Planung und dem Selbstverständnis amerikanischer Individualität ausgegangen werden. „Der Staat hat mir nichts vorzuschreiben…“ und viele der v.a. konservativ orientierten US-Bürger lehnen Planung und ihre Reglementierungen noch heute ab. Die Idee „gleicher Lebensbedingungen“ für alle Bürger des Landes ist hier nicht verankert und auch nicht zu verankern, denn „jeder ist seines Glückes Schmied“ und selbst für Fortkommen, Reichtum, beruflichen Erfolg und das Glück der Familie verantwortlich. Darum hat keine Regierung oder Administration Einfluss zu nehmen.
Die schwierige Beziehung zwischen Planung und der Amerikanischen Kultur
Der Amerikanische Individualismus ist überzeugt davon, dass jeder Mensch die Verantwortung für sein eigenes Leben trägt und für seinen Erfolg oder sein Versagen einstehen muss. So ist nur eine minimale Steuerung durch den Staat gewünscht und akzeptiert, denn jede Einflussnahme wird als „Bevormundung“ betrachtet.
Da es nur wenige planerische Steuerungsmöglichkeiten gibt, ist die Handlungsfähigkeit einer Regierung und der Aministration begrenzt.
“That government is best which governs least”, sagt der 3. Präsident der Vereinigten Staaten Thomas Jefferson (1801–1809), Hauptverfasser der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung. Begrenzte Regierungsmacht also, je weniger Regierung, ist auch heute noch das Credo. Damit ist die Idee des sozialen Ausgleichs, wie im deutsche Raumordnungsgesetz vorgesehen, obsolet. Jegliche Strukturierung des Raumes und der Umwelt muss mit Hilfe anderer Mittel und Instrumente erreicht werden. Und in der Regel gewinnt so der politisch und wirtschaftliche Potenteste, denn ihm müssen die Politiker folgen, sind sie doch abhängig von dieser Unterstützung.
Als wichtigste Grundsätze gelten die “Property Rights”, die folgendes festlegen:
“No person shall be (. . .) deprived of life, liberty, or property without due process of law; nor shall private property be taken without just compensation” (Fifth Ammendment, Zusatzklausel der U.S. Constitution (Grundgesetz)). Somit kann eine Regierung die Freiheit des Individuums nicht mehr als absolut notwendig einschränken. Die Folge ist, dass ein Eigentümer mit seinem Eigentum tun und lassen kann, was auch immer er will. Er kann den Grund und Boden sich selbst überlassen, so dass Wald wächst, er kann ein Haus oder Häuser errichten, er kann das Land verkaufen oder verschenken an wen er will. Ein staatliches Vorkaufs- oder Zugriffsrecht besteht nicht. Dieses Recht wird nur wenig begrenzt durch Planung, die eine “Zoning”, also eine Flächennutzungplanung entwickelt.
Dennoch, auch dieses „Zoning“ ist bei vielen Staatsbürgern unbeliebt, einige Bürger lehnen Planungen sogar strikt ab. Hierfür stehen insbesondere die stark konservativ ausgerichtete Bürger und Organisationen.
Der Planungsrahmen
Grund und Boden
Zwar besitzt die Bundesregierung viel Land, es liegt aber i.d.R. nicht in der Nähe von Städten oder Ballungszentren. Eher sind es „ursprüngliche“ Flächen der Natur und sie wirtschaftlich kaum interessant. Planerische Steuerungsmöglichkeiten sind daher gering, denn an diesem Land hat ledgl. der Naturschutz Interesse. Daher sind viele dieser Gebiete inzwischen unter Schutz gestellt, wofür wie bei uns, viele verschiedene Schutzkategorien genutzt werden können. Die Großflächigkeit dieser Gebiete ist für uns Europäer, aus einem dicht besiedelten Land, in dem nahezu alle Flächen vollständig genutzt werden und für jede Fläche eine planerische Perspektive besteht, faszinierend und beneidenswert.
Aber, diese überwiegend schutzwürdigen Flächen bieten der Bundesregierung kaum bis keine Perspektiven zur Flächenentwicklung, weit abgelegen und ökonomisch uninteressant.
Zudem liegt die Hauptverantwortung für die Raumentwicklung und die Stadtplanung bei den lokalen Entscheidungsträgern der Politik. Die Bundesregierung kann und darf nicht eingreifen.
Eine lange Geschichte privater Landerschließung und die Lust an Gewinn und Spekulation bestimmt auch heute noch planerisches Handeln, wobei ein Kompetenzwirrwarr auf der lokalen Ebene die Strategie privater Landerschließung und der Realisierung privaten Gewinns weiter fördert, obwohl die „Zoning” und „Subdivision Controls” hier steuernd wirksam werden sollen.
Die Hauptaufgabe und Alltagsarbeit der Stadtplanung in der USA ist es Zoning, also Flächennutzungen auszuweisen und die Subdivision Control zu realisieren, denn beide Instrumente stellen die Grundpfeiler des Planungssystems dar. Maßgeblich ist das Konzept des Zoning.
„Comprehensive Planning”, „Zoning“ und weitere Planungskonzepte
„Comprehensive Planning” und „Zoning” sind als Konzepte etwa um 1910 entstanden. Beide Reformideen sind Teil des „Progressive Movements“, d.h. sie sind u.a. als Reaktionen auf die politische Korruption und unwirtliche Lebensbedingungen zu verstehen. Mietskasernen, schlechte Gesundheitsbedingungen, mangelnde Erholungsmöglichkeiten und viele weitere Problem bestimmten die städtischen Lebensbedingungen. Die Folgen eines ungebremsten Kapitalismus und Individualismus waren rasch sichtbar geworden und beeinträchtigten die wirtschaftliche Weiterentwicklung durch Krankheiten, Alkoholismus, hohe Kindersterblichkeit und durch weitere negative Momente.
Die Idee, diese Probleme durch Expertenwissen, rationale Planungsansätze und eine qualifizierte Verwaltung zu beherrschen, wurde von Architekten, Rechtsanwälten, Ingenieuren geboren, die so Planung als neues Berufsfeld schufen. Politiker waren nicht beteiligt und nur zu einem kleinen Teil interessiert.
Das Konzept des „Zoning“ wurde erstmals 1916 in New York verwirklicht und konnte sich schnell landesweit durchsetzen. Die Mehrzahl amerikanischer Städte hatte einen „Zoning-Plan“ ehe sich die Stadtplanung etablieren konnte.
Die Strategie des Zonig hat alle weiteren planerischer Aktivitäten ausgelöst und heute hat fast jede amerikanische Stadt eine “Zoning Ordinance” als Verordnung.
„Comprehensive Plans” wurden und werden von Städten, „Counties” (Landkreisen) und von „Councils of Governments[1]” (COGs) erstellt. Diese ‚Regionalpläne’ der COGs sind wünschenswert, da sie aber ledgl. Richtlinien darstellen, fehlt ihnen die rechtliche Basis zur Umsetzung ihrer Ziele. Widersprechen diese Ziele den Interessen von Städten und Landkreisen, fehlt es an Durchsetzungskraft.
Für die Inhalte eines „Comprehensive Plans” existiert keine Musterverordnung, so dass die Pläne stark variieren. I.d.R. enthalten sie Folgendes:
- die allgemeinen Entwicklungsziele für eine Stadt,
- einen Überblick über die Geographie, die natürlichen Voraussetzungen und
- einen Überblick über die zu erwartende Bevölkerungsentwicklung
- die aktuelle und zu entwickelnde Wirtschafts- und Infrastruktur
- die Entwicklung von Kultureinrichtungen wie Theater, Sport etc. sowie
- die Erholungsangebote
- Trends und Hochrechnungen der Entwicklungspotenziale und
In einem weiteren Schritt werden
- konzeptionelle Überlegungen zur Weiterentwicklung dargelegt
- Umsetzungskonzepte und -maßnahmen, wie z.B. Änderungen von „Zonings” und „Subdivision Controls” erarbeitet
- neue Infrastrukturmaßnahmen und Maßnahmen zur Ansiedlung neuer Wirtschaftszweige und Industrien entworfen und
- Maßnahmen zur Weiterentwicklung von Kultur- und Erholungsangeboten entwickelt.
Die Erarbeitung eines solchen „Comprehensive Plans“ erfordert eine umfassende Datenerhebung und –analyse. Die Beteiligung der Bürger ist dabei unabdingbar. Diese Planung ist langwierig und fordert i.d.R. viel Zeit.
Da den „Comprehensive Plans” die Kompetenz zur Umsetzung fehlte, konnte das Konzept des „Zoning” schneller greifen. Dennoch wurde die Entwicklung von „Comprehensive Plans” üblich.
Zoning verfolgt eingeschränktere Ziele. Es sichert:
- eine geordnete Flächenentwicklung der Stadt zu sichern,
- die Eliminierung widersprüchlicher angrenzender Landnutzungen auszuschließen und Flächennutzungen zu harmonisieren,
- den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung und last not least
- den Wert der Grundstücke wohlhabender Bürger zu garantieren. Dieses letzte Ziel ist inoffiziell eines der wichtigsten, obwohl erst spät genannt.
Ist eine „Zone” ausgewiesen, können nur dort benannte Nutzungen verfolgt werden. Nur den genannten wirtschaftlichen Aktivitäten darf nachgegangen werden. Diese Flächenzuweisung entspricht etwa dem deutschen Flächennutzungsplan und wird als Structure-Plan bezeichnet.
Das Konzept des „Zoning” lässt kumulative Nutzungen zu, wenn diese sich nicht negativ beeinflussen. Es ist also möglich ein oder mehrere Einfamilienhäuser in einer Zone des Einzelhandel zu bauen, wenn damit weder das Wohnen noch der Handel negativ berührt werden. Nicht möglich ist es Wohnhäuser in der Zone für (Schwer)industrieentwicklung zu errichten. Zonierungsregelungen können, müssen aber nicht festlegen wie die Geschoßhöhe der Gebäude ist, wie groß die Grundstücke sein müssen und wie die Baulinie ausgestaltet wird. Das Zoning legt die Anzahl Parkplätze, die z.B. für einen Wal-Mart erforderlich sind und v.a.m..
Das Konzept des „Zoning” wird vom Stadtplanungsamt oder von einem Fachausschuss erarbeiet und vom Stadtrat verabschiedet. In der Mehrzahl der amerikanischen Städte ist dies schon vor vielen Jahren erfolgt.
Das „Zoning” wurden basierend auf bestehenden Flächennutzungen entwickelt, Bestehendes wurde bestätigt und nur für noch nicht erschlossene Flächen konnte der neue „Plan” Strukturen für die weitere Entwicklung entwerfen. „Nonconforming uses” (in der Zukunft nicht mehr gewünschte oder erlaubte Nutzungen) bestehen weiter bis diese auslaufen, die Gebäude abgerissen werden, abbrennen oder sehr lange leer stehen und verfallen. Wenn das „Zoning” verändert werden soll und perspektivisch neue bislang nicht vorgesehene Nutzungen entwickelt werden sollen, kann ein sog. „Rezoning” beantragt werden. Beispielsweise soll ein kleinerer Wohnkomplex in einer Zone für Einfamilienhäuser oder eine Wohnsiedlung in einer agrarischen Zone gebaut werden, sind die Eigentümer und Nutzer der angrenzenden Grundstücke zu informieren und jeder Bürger, jede Bürgerin hat das Recht, in einer Anhörung zu dem Vorhaben Stellung zu nehmen. Die Planungsabteilung erhält die Möglichkeit ein Gutachten vorzulegen, das die Vor- und Nachteile darstellt. Die Entscheidung wird abschließend von einem ehrenamtlichen Ausschuss getroffen. Sind Bürger mit dieser Entscheidung nicht einverstanden, kann beim Stadtrat Berufung eingelegt werden.
Ursprünglich wurde das Konzept des „Zoning” außerordentlich kontrovers diskutiert, inzwischen aber haben Gerichte entschieden, dass Zoning verfassungskonform ist, auch dann, wenn der Wert eines Grundstücks sinkt.
„Subdivision Controls”
Immer noch wird die Mehrzahl neuer Wohnungen in den USA werden von privaten „Developern” (Bauträgern) in neuen „Subdivisions”, Siedlungen am Stadtrand als Vorstädte errichtet. Ein „Developer” kauft freie, i.d.R. landwirtschaftliche Flächen und gliedert sie in kleine Parzellen auf, um Ein- oder Zweifamilienhäuser oder Wohnquartiere zu entwickeln, die dann verkauft werden. Wie wichtig dieser Markt ist, zeigt, dass knapp 2/3 der UA-amerikanischen Bevölkerung ein eigenes Haus besitzt.
Die „Subdivision Control”-Gesetze bestimmen
- wie das neue Straßennetz an das vorhandene Netz anzuschließen ist und sichert ab, ob Fußwege anzulegen sind,
- wie die Ver- und Entsorgung geregelt wird,
- die Straßenbreite und regeln alle erforderlichen technischen Baubestimmungen,
- die Größe der Grundstücke und
- ob der „Developer” der Stadt Flächen für öffentliche Belange wie Schulen, Parks, Feuerwachen oder andere öffentliche Einrichtungen überlassen muss sowie
- u.v.m..
Der “Developer” muss zumeist zu einem großen Teil für die Kosten der neuen Infrastrukturen aufkommen. In anderen Städten zahlt der “Developer” der Stadt „impact fees”, um für die Kosten des Straßenneubaus und weiterer Infrastruktureinrichtungen aufzukommen.
„Subdivision Controls” dürfen dem “Zoning” nicht widersprechen, sie können aber umfangreicher ausgestaltet sein. Die alltägliche Arbeit einer Planungsabteilung in einer amerikanischen Stadt konzentriert sich überwiegend auf die Verwaltung und Kontrolle des „Zoning” und der „Subdivision Controls”.
„Zoning” und “Subvidision Controls” sind kompliziert zu handhaben. Immer wieder werden Ausnahmen ermöglicht, die Veränderungen und neue Beschlüsse erfordern. „Zoning” und “Subdivision Controls” sind mit anderen Reglungen (z.B. den Reglungen der Bundesregierung zum Schutz Naturgebieten) abzustimmen und dürfen auch diesen nicht widersprechen. Eine Aufgabe der Stadtplanungsbehörde besteht darin, daraus erwachsende Probleme zu lösen.
Der Bau neuer Einkaufszentren oder Industriekomplexe in einer Stadt oder an deren Rand als neue „Subdivisions”, stößt immer wieder auf Widerstand. Die häufigsten Gegner sind
- die Umweltschützer und Umweltorganisationen,
- die Bürgerinitiativen, die „Sprawl”, Zersiedlung und Ausdehnung in die Landschaft, Lärm und sonstige Umweltbelastungen fürchten,
- die „Neighborhood Associations”, Quartiersvereine, die sich beeinträchtigt fühlen und ihr angestammtes Wohnen so erhalten möchten und
- die Eigentümer angrenzender Grundstücke, die ihre oft nur ihre Privilegien wahren wollen.
Eine Hauptaufgabe der Stadtplaner besteht daher darin, zwischen den verschiedenen widerstreitenden Gruppierungen zu vermitteln und Kompromisse auszuhandeln. Dann kann ein verändertes „Rezoning“ beschlossen werden. Wird kein Kompromiss gefunden, erarbeitet das Stadtplanungsamt ein Gutachten und präsentiert der „Planning and Zoning Commission”, evtl. auch dem Stadtrat, Lösungsideen. Da diese Kommission und / oder der Stadtrat endgültig entscheidet, heißt erfolgreiche Planung auch politisch geschickt zu agieren.
Aber Städte begnügen sich auch weniger umfassenden Plänen. So werden z.B. ledgl. Pläne für Weiterentwicklung der Innenstadt entworfen oder ausschließlich Verkehrs- und Transportplanungen vorgenommen. Auch Pläne, die nur die Sanierung von Slums verfolgen sind möglich.
[1] COGs sind lockere Zusammenschlüsse von Städten und “Counties” im selben Agglomerationsraum.