Studenten halten einen Privatpalast instand

Direkt hinter der Kathedrale findet sich ein alter Stadtpalast, in dem  von Montags bis Freitags ein veganes Guerilla-Restaurant betrieben wird – illegal. Nur Mittags geöffnet, stehen Suppe, Hauptgericht und Dessert sowie verschieden Säfte auf der Karte, die nur als Kreidetafel existiert.


Nachdem wir es schon einmal am Samstag versucht hatten, sind wir am heutigen Montag schon kurz nach 12:00 in dem kleinen Garten vor dem Palast. Ein Student bescheinigt uns im perfekten Englisch, dass es heute etwas zu essen gibt. Es würde gerade noch zubereitet. Ob wir denn solange eine Führung durch den Palast nehmen wollen. Wir wollen. Der Palast ist immer noch in Privatbesitz, allerdings ist die Familie verarmt und kann das Haus nicht instand halten. Der Sohn, inzwischen über 70, hat daher das Gebäude einigen Studenten übergeben, die dort wohnen, das Restaurant betreiben und dafür das Haus instand halten.

Während der Führung erfahren wir einiges über die Eigentümer-Familie. Offenbar hat der Großvater viel Geld mit dem Eisenbahnbau gemacht. Die Söhne haben es teilweise auf Großwild Safaris in Afrika – im wahrsten Sinne des Wortes – verpulvert, dann hat die Aufteilung des Besitzes auf 6 Kinder dem Vermögen den Rest gegeben. Anfangs hat der jetzige Besitzer noch im Restaurant mitgekocht. Jetzt ist er dafür zu alt, kommt aber häufiger zum Essen vorbei.

Es geht erst durch die Küche, in der Workshops, u.a. zum veganen Kochen veranstaltet werden.

Wir werden durch das Jagdzimmer geführt. Viele Fotos mit erlegten Tieren, Elefanten, Antilopen, ein Gepard. Zwei Schlossflinten stehen noch im Gewehrständer.

 

 
Die kleine Kapelle hat noch den originalen Altar mit Bild. Die anderen Gemälde wurde vor Jahrzehnten entfernt, als das Haus leer stand. Und mussten dann verkauft werden, als das Vermögen aufgebraucht war. Überall finden sich Azulejos. Klassische Muster, Tableaus mit farbigen Szenen, oft religiöse Themen aber auch Vogeldarstellungen aus Brasilien.


Wir dürfen auch auf den Turm – mit einem atemberaubenden Blick über Evora und die Landschaft. Die Apsis der Kathedrale liegt direkt vor einem. Es ist der höchste Punkte der Stadt – nur der Turm der Kathedrale ist noch deutlich höher, denn dessen Höhe durfte nicht erreicht werden.

  

Der Blick auf die Dächer des Palastes zeigt, wo eine Hautaufgabe der Studenten liegt. Die Instandhaltung der Dächer. Hitze und Starkregen setzen den historischen Dächern zu. Sie nutzen Dachziegel aus einem verfallen Teil des Palastes, um die Löcher in den zu erhaltenden Gebäudeteilen zu stopfen. Clark, dass die „Mönch und Nonne-Ziegel“ verwenden. Konisch geformt, passen angegossen auf den Oberschenkel des Herstellers, denn das ist die maßgebende Form.

Wir dürfen noch in die kleine Bibliothek und dann ist das Restaurant so weit und wir speisen im Garten.

Das alte Dorf geht unter – Renaissance an einem anderen Ort

Vor ca. 60 Jahren noch unter der Salazar-Diktatur entstanden Pläne im Nordosten des Alentejo eine große Talsperre Barrage de Alqueva zu bauen. Ziel war es, die dortige trockene Region zwischen den beiden Flüssen Rio Guadiana und Rio de Godelim und weiterer kleinerer Zuflüsse landwirtschaftlich zu entwickeln und gleichzeitig einen großen Teil der Elektrizität so zu gewinnen. Dass damit Dörfer, Orte und Städtchen „absaufen“ würden, wurde billigend in Kauf genommen. Das Prokejt konnte jedoch erst realisiert werden, als Portugal schon länger Mitglied der EU war und endlich genügend Geld floss. Inzwischen hatte sich das Land weiterentwickelt und die landwirtschaftliche Produktion steckte in einer Krise, wie auch sonst überall in Europa einem harten Konkurrenzdruck ausgesetzt. Dennoch, geplant ist geplant, projektiert ist projektiert. Das Projekt ist mit vielen Versprechungen über bessere Lebensbedingungen gestartet, bis der Baugesellschaft das Geld ausging und vieles inmitten gut gemeinter Ideen steckenblieb.

Seit 12 Jahren ist der See nun geflutet, am Schluss musste alles schneller gehen als vorgesehen, denn es standen mal wieder Wahlen an und die Furcht des Regionalpolitikers nicht zu gewinnen, was womöglich bedeutet hätte, dass das Projekt „gestorben“ wäre, machte das vorgezogene Fluten notwendig. Wenn das Wasser erst einmal läuft, gibt es kein zurück.     

Die Struktur erhalten, der Raum überdimensioniert und tot  

Wie erging es den Menschen, die ihre Heimat verloren und wie geht es ihnen heute?

Der neue Ort Luz, in seiner Struktur exakt aufgebaut, wie das alte Luz, ist ein Produkt Schweizer und portugiesischer Architelten. Sie haben angeblich die Wünsche der Bewohner an ihr neues Zuhause gesammelt und „so weit“ möglich, umgesetzt. Alle Häuser wurden „klassifiziert“, so dass die Familien „ihren Standard“ wieder erhielten. Da aber schon seit 1995 Baustopp für das alte Luz verfügt war, mussten die jungen Familien, die nicht mit den Eltern oder Schwiegereltern unter einem Dach leben wollen, den Heimatort oder gar die Region verlassen. Zurück blieben wie immer die Alten und wenige, die noch von der Landwirtschaft lebten und leben können.

Ema, Soziologin, hier an der Hochschule veranwortlich für touristische Fragen, ist gerufen worden, um das schwierige Verhältnis zwischen dem neu entstandenen Heimatmuseum und den Bewohnern von Luz „zu verbessern“, eine gute Gelegenheit auch einen ‚fremden‘ Blick auf den Freiraum und die Umgebung zu werfen, denn Emas  und Antonios (Fotograph) Eindruck ihres ersten Besuches war, dass es ein totes Dorf ist, ganz ohne Grün.

Und der Schildbürgerstreich schlechthin ist, dass die Ex-Bürger von Luz noch heute für abgerissene und geflutete Häuser, für überschwemmtes Land Steuern zu zahlen haben. Wieso machen sie das?

Andere, wie die großen Supermarktketten mit Ausnahme von Intermarché hingegen schaffen es, die Kommunen zu erpressen und keine Steuern zu zahlen. Was für ein System. Und als Randnotiz: nur Intermarché erlaubt den einzelnen Filialen das Kaufen regionaler Produkte, alle anderen lassen zentral einkaufen. Und wir reden über Regionalentwicklung, geschlossene Wirtschaftskreisläufe und gute, qualitätvolle Nahrungsmittel!

Die  ersten Eindrücke und Ideen nach einem sehr heißen schattenlosen Rundgang.

Die Architekten haben auf dem „Papier“ gearbeitet, ohne die Topographie der Umgebung und des Geländes ausreichend zu beachten. Das alte Dorf war „eingebettet“ in ein Tälchen, umgeben von sanfter Reliefierung ( so der Eindruck von den Fotos). Dieser Fehler bewirkt ein „zur Schau stellen“ des Neuen, verstärkt durch die Forscher und Jounalisten, die über viele Jahre wissen wollen, wie es den alten Bürgern in ihrer neuen Umgebung ergeht und gefällt. Und da sie keine Forschungsobjete sein wollen, reagieren sie inzwischen verständlicherweise zugeknöpft und abweisend. Und sie wollen auch nichts mit den Museumsleuten zu tun haben, von denen keine Unterstützung und keine frischen Ideen kommen.

Die Differenziertheit der alten Häuserstruktur ist nicht aufgenommen worden (verschiedene Dachhöhen, unterschiedlicher Stand der Fassaden zur Straße, andere Fenster- und Türanschläge, …), so dass der Eindruck neuer Monotonie nicht vermieden wurde. Der Straßenraum ist weit überdimensioniert. Die Straßen sind fast so breit wie in Lissabon, die Bürgersteige in jedem Fall. Das ist für ein Dorf mit aktuell 300 bis 350 Einwohnern nicht die richtige Dimension. Besser und neu wäre ein Konzept des „shared space“, alle Verkehrsteilnehmer teilen den Freiraum und nehmen aufeinander Rücksicht. Das würde Platz freimachen für eine konsequente Grünstruktur im Ort (Baumreihen, Alleen, Hecken), für die die Bewohner unter Anleitung (?) langfristig die Verantwortung und Pflege übernehmen können und vielleicht auch wollen. Damit könnte möglicherweise auch eine neue Gesprächskultur wachsen.
   

Fotos des alten Dorfes und der Hausstrukturen, die nicht so wieder hergestellt worden ist

Die Gartenbesitzer, die es ja schon gibt, mit ihren üppigen und schönen Gärten hätten vielleicht sogar an einem Tag im Jahr durch das „offene Tor“ Spaß daran ihre „Schätze“ zu zeigen und andere zu begeistern. Vielleicht gibt es sogar einen Kaffee im Garen oder eine selbst gegrillte Sardine.

Der Stolz der Gärtner ist bei so viel Üppigkeit unübersehbar. Der alte Herr erzählt über seine Arbeit in Augsburg und verschenkt volle Arme reifer Zitronen.

Der weiter vorhandene reichlich bemessene öffentliche Raum braucht andere und neue Funktionen. welche dies sein könnten, ist mit den Bewohnern und ihren Wünschen und Vorstellungen gemeinsam zu entwickeln. Dieser Prozess Bedarf de Zeit und kann zwischen zwei und fünf Jahre in Anspruch nehmen. Dann aber, wenn alle beteiligt sind, wenn alle mit den Veränderungen mitgehen, besteht die Chance der Realisierung, der  Akzeptanz und der gemeinsamen Umsetzung.
Das Museum ist ein Apendix, kein Teil von Luz. Ein Miteinander zu entwickeln – nach Langer Zeit gegenseitiger Ignoranz oder gar Abneigung, wird es für beide Seiten schwer sein, Vertrauen zu gewinnen.
Vielleicht ist ein Ansatzpunkt, die existierenden Vereine und Organisationen und ihre Zielsetzung zu ermitteln und prüfen, ob diese für ein Zusammenwirken mit Freiraum, sozialem Leben, Handwerk, Tradition und Gemeinschaft wichtig sein können. Denn die alten Techniken der bäuerlichen Kultur, wie Käse machen, Fischen gehen, die traditionellen Gerichte und die im Dorf gekannten Spezialitäten (wir haben als Tapas am Mittag gekochten Schweinebauch und dicke Bohnen gesehen und vor allem gerochen), kenne weder die Schulkinder noch die wenigen Touristen, die dort stranden. Die gibt es, denn es existiert ein Wohnmobilplatz und wir erfahren, dass es Gäste gibt, die immer wieder kommen. Noch kennen wir ihre Motive nicht.
Dass es in Luz von eine Schule gibt, eine Grund- und sogar eine weiter führende Schule, kann ein weiterer Ansatz für eine neue Zusammenarbeit werden, zumal die Bürgermeisterin dem Ganzen positiv gegenüber steht, auch wenn es der einzige Ort des Alentejo ist, der konservativ wählt und sich so gegen die „anderen Interessen“ behaupten muss.
Antonio hat noch viele Fotos der Region vor der Flutung, von den Menschen und auch aus den anderen Orten, die betroffen waren und sind.
Auf der Rückfahrt Spinnen und träumen wir von einem gemeinsamen studentischen Workshop von Anthropologen und Landschaftsachitekten, wenn wir Deutsche dafür Geld auftreiben können. Vielleicht haben Peter und ich dann noch einmal eine gemeinsame Chance?
 Mehrere Wege sind denkbar:
  • Fotoprojekt von Antonio mit den Bewohnern, historischen Fotos, neuen Erfahrungen der Bewohner,
  • Alte Handwerkstechniken neu entdecken (Käse u.a. herstellen, Fischen gehen, …, mit den Kindern der Schule und später für die Touristen) und diese im Museum zeigen und ausstellen
  • Oral history – erlebte Geschichte: erzählt von den „Alten“, aufgeschrieben von den Jungen,
  • Das Dorf ergrünt, Biodiversität ist nicht nur „draußen“,
  • Shared Space – Modellprojekt in Portugal,
  • Eine bessere räumliche Anbindung des Museums an den Ort durch eine andere grüne Struktur,
Das Museum von Luz
Es bedarf einer neuen Museumspädagogik, indem es die Bewohner von Luz nicht als Ausstellungsstücke betrachtet, sondern Konzepte mit ihnen gemeinsam erarbeitet und Altes mit Neuem koppelt. Zudem fehlt bislang eine Auseinandersetzung mit dem Projekt „Stausee“: 
  • sehr alte Planung, Zielsetzung für heute prüfen, Änderungen der Lebensverhältnisse der ländlichen Bevölkerung, Sinnhaftigkeit, …
  • Klärung an welche Zielgruppen sich das Museum wenden will,
  • Herausfinden, was Luz zu etwas Besonderem macht und ein Gesamtkonzept entwickeln, dass die anderen von der Talsperre „betroffenen“ Orte mit einbindet, um daraus Angebote für Touristen zu entwerfen und gemeinsam zu vermarkten.

Ein tolles Thema für einen internationalen Workshop “ Luz 2020″ und vielleicht eine Chance für Peter und mich, das zusammen zu stemmen, wenn wir es schaffen, dafür Geld zu organisieren.

Literatur: Wateau, Fabienne: Querem Fazer um Mar …, Lissabon 2014, auch auf französisch (werde mich darum kümmern)

Ein Rästel ist gelöst!

Ein Spaziergang durch Luz, die neu errichtete Stadt, gebaut in der Struktur des gefluteten alten Dorfes, das die Talsperre Bei Mourao verschluckt hat, ebenso wie Teile von drei weiteren Orten, haben wir Folgendes 

 Was ist das? katzenspiegel, schon mal gehört?

Da drängen sich viele Fragen auf. Brauen die Bewohner warmes Wasser? Wird Wasser geliefert, weil die Qualität schlecht ist, die aus dem Hahn kommt, aber warum dann auf der Mauer und das bei einigen Höfen und andere Mauern sind ohne Wasser? Wir können das Rätsel nur mit Hilfe von Ema und Antonio lösen. 

Es ist ganz einfach. Es sind die Katzenabwehrmauern, denn die Meschen wollen in ihren Innenhöfen keine streunenden Katzen dulden, die ihren „Duft“ an jede Ecke markieren. So haben sie dieses „portugiesische System“ erfunden, um die kleinen wilden Tiger fernzuhalten, die die schweren 5-Liter Bottiche nicht umstoßen , sich auch nicht zwischen durch quetschen können und auch nicht darüber klettern. Eine wirksame, wie preiswerte Lösung. Klettern könnten sie vielleicht schon, aber die Wasserbottiche sind wie Spiegel für die Katz‘, und welche schlaue Katze legt sich schon gern mit einer anderen in deren Revier an?

Es gibt auch noch ein weiteres „portugiesische System“, um keine Fliegen in Räumen zu haben. Pendelnde Schalen mit Wasser in den Türsturz hängen, auch das soll helfen und ist ebenfalls superpreiswert.

Volkslieder des Alentejo, der etwas andere Gesang

 Cante alentejano als UNESCO-Kulturerbe der Menschheit anerkannt

Der “Cante Alentejano” oder schlicht “cante” (Dialektwort für das portugiesische “canto”, Gesang) , ein polyphoner Gesang aus dem Süden Portugals mit unverwechselbaren musikalischen Eigentümlichkeiten, der tief in der Volkskultur dieser ländlichen Gegend verwurzelt ist, wurde am 27. November 2014 von der UNESCO in die Liste des immateriellen Weltkulturerbes eingetragen. 

Monumento ao Cante, Casevel

Beim Cante handelt sich um einen Wechselgesang von Vorsänger (Ponto), zweitem Solist (Alto) und Chor nach bestimmten Regeln. In den Dörfern des Alentejo hat sich bis auf den heutigen Tag ein Reichtum an modalen Liedern gegen die uniformierende Wirkung der kommerziellen Musikproduktion behaupten können. Lydische, mixolydische (gelegentlich phrygisch) anmutende Passagen finden sich ebenso wie plagale Schlusswendungen. Häufig weichen die Sänger bei einzelnen Tonstufen mehr oder weniger stark von der (harmonischen) Durleiter ab. Alle diese Elemente machen eine neue unverwechselbare Tonwelt erlebbar. Die historischen Wurzeln des Cante liegen im Dunkeln. Die Bauern südlich des Tejo wurden relativ spät christianisiert. Um 1500 wurden massenweise aus Spanien geflüchtete und in Portugal zwangsgetaufte Juden im Alentejo angesiedelt. Es wird nicht ausgeblieben sein, dass diese “neuen Christen” mit maurischen und jüdischen Vorfahren Vieles aus ihrem angestammten Liedgut in die Volkskultur einbrachten, die den Cante hervorgebracht hat. Seit antiken Zeiten haben sehr viele Völkerschaften unterschiedlichster Herkunft in Portugal angesiedelt, und da die Randlage des Landes kein Weiterziehen möglich macht, bleiben und Spuren ihrer Traditionen bis heute hörbar.

1971 suchte Michel Giacometti, Sammler von Volksliedern des Alentejo,  einen der letzten Spieler der alten Generation auf. Eine der vielen Raritäten aus seiner Sammlung: Viola campaniça (Youtube-Video).

(Siehe Portugalforum.com)

Kleine Auswahl von Video-Dokumenten zum Cante (EXTERNE LINKS):

CANTE

 

Zur aktuellen Lage Portugals

Der „Reformprozess in Portugal“ –finanzielle Zwänge in produktiver Schieflage

Gemessen an seinem Bruttoinlandsprodukt liegt Portugal an der 19. Stelle im Ranking der EU-Staaten. Und natürlich ist auch an diesem Land die aktuelle internationale Krise nicht spurlos vorübergegangen, im Gegenteil: Portugal wird immer wieder genannt, wenn es um die Frage geht, bei welchen EU-Mitgliedern der Staatshaushalt möglicherweise „am Kippen“ steht.

Die Krise hat Portugal seit mindestens 2009 fest im Griff, auch wenn die EU und ihre Troika von „wesentlichen Fortschritten“ spricht und Portugal eine gangbare Zukunft bescheinigt. Die EU fordert aufgrund ihrer Finanzhilfen „einen tragfähigen Kurs“, um die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft zu errreichen. „Nach Irland und Spanien ist Portugal das dritte Land, das sein Hilfsprogramm erfolgreich beendet hat und sich wieder eigenständig am Kapitalmarkt finanziert.“ (BMF/Web/DE/Service/Monatsbericht vom 19.12.2014)

Der Reformweg ist nicht abgeschlossen, sondern wird noch Jahre fortdauern und die staatlich verordnete Haushaltskonsolidierug durch vereinbarte Strukturreformen wird unbeirrt fortgesetzt. Dass diese Strukturreformen die kurze Periode „individuellen Aufstiegs“ eines großen Teils der Gesellschaft zunichte gemacht hat, ist offensichtlich. Vor dem Ausbruch der Wirtschaftskrise hatte Portugal etwa ein Jahrzehnt ein schwaches Wirtschaftswachstum erlebt, dass für die Mehrheit der Bevölkerung zum ersten Mal „fühlbar“ werden ließ, dass „es aufwärts geht“ und man sich – im Gegensatz zu früher – „etwas leisten konnte“. Größeres Wohneigentum, die eigene Waschmaschine und allem voran ein Auto verschleierten, dass es zum großen Teil ein Aufschwung auf Pump war.

Eine dieser „Randnotizen“ ist beispielsweise, dass in der Zeit des Aufschwungs viele Portugiesen stärker auf ihre Gesundheit achten konnten, was sich daran zeigt sich u.a. daran, dass sie sich Zahnersatz leisten konnten und überhaupt gesundheitliche Vorsorge vornehmen konnten, was nun  wieder stärker vernachlässigt werden muss. Da jedoch die geringe Produktivität blieb, ging die viel zitierte „Party“ des rasanten Aufschwungs, wie ihn Irland und zum Teil auch Spanien vor einem herben Abschwung erlebten, rasch zu Ende, war er doch in Portugal ohnehin wesentlich geringer ausgefallen. So war das Wachstumspotenzial mit einer nachlassender Wettbewerbsfähigkeit und tiefgreifenden strukturellen Hemmnissen stetig gesunken, was die einsetzende weltweite Krise besonders schmerzhaft werden ließ.

Seit 2001 Leben mindestens 20% der Portugiesen an oder unter der Armutsgrenze, wobei der Anteil weiter wächst und im Alentejo höher als im Landesdurchschnitt liegt. Vergleich zu Deutschland: 2001 – 11% (Eurostat 2004, Internet 10.5.2015)

Die Auslandsverschuldung Portugals nahm daher weiter zu, so dass ab 2009 mit der erwähnten globalen Finanz- und Wirtschaftskrise das Haushaltsdefizit und die Staatsverschuldung den europäisch vereinbarten Rahmen sprengte. Das führte dann auch dazu, dass das Vertrauen aus- wie inländischer Investoren schwand, Risikoaufschläge auf portugiesische Staatspapiere hingegen steigen und so eine eine tragbare Kapitalmarktfinanzierung fehlte. Portugal musste unter den sog. „Rettungsschirm“ schlüpfen und im Mai 2011 ein dreijähriges makroökonomisches Anpassungsprogramm (Hilfen der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF), des Europäischen Finanzstabilisierungsmechanismus (EFSM) und des Internationalen Währungsfonds (IWF)) von 78 Mrd. € in Anspruch nehmen, wovon Portugal bislang 75,4 Mrd. € abrief.

Die Troika (Europäischer Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und IWF, Vertreter (nicht gewählt oder durch eine Kommission kontrolliert) hatte eine Reformagenda ausgehandelt. Das Programm hatte und hat es zum Ziel, „den Staatshaushalt dauerhaft zu sanieren, den Finanzsektor zu stabilisieren und über strukturelle Reformen das Wachstumspotenzial zu stärken“. Im Frühsommer 2014 hat Portugal dieses Programm endlich „erfolgreich“ beenden und die Repression vorerst abstreifen können. (BMF/Web/DE/Service/Monatsbericht vom 19.12.2014) Der Preis, den die Bevölkerung individuell zahlen muss, ist hoch. Die aktuelle Statistik führt aus, das … An der Armutsgrenze leben müssen.

Erreicht wurde dies durch die Senkung der Staatsausgaben, vor allem durch Stellenabbau im Öffentlichen Dienst (Bildung, Gesundheit  etc.) und einer erheblichen Kürzung der Gehälter, der Pensionen und der Ausweitung der Wochenarbeitszeit auf 40 Stunden. Urlaubs- und Feiertage wurden gleichfalls reduziert. Das haben die Portugiesen fast widerspruchslos hingenommen, große Demonstrationen und Aufrufe zum Generalstreik finden auch noch heute (demnächst im Juni 2015 fast nur in Lissabon statt. In den ländlichen Regionen mit überwiegend landwirtschaftlicher und touristischer Wirtschaftsgrundlage wurde und wird kaum protestiert.
Seit 2013 wird von einen Wirtschaftswachstum von 0,9 % ausgegangen (BMF 2014). Die Statistik der eigenen Regierung von 2013 sagt folgendes: …

Konsum und Investitionen im Privatsektor wachsen angeblich, erreicht durch eine Mischung aus Effizienzverbesserungen und Lohnzurückhaltung. Die Menschen hier erzählen und empfinden anderes.

„Die Exportquote des Landes ist von 28 % des BIP im Jahr 2009 auf rund 40 % im Jahr 2014 gestiegen. Die Ausfuhren nach Deutschland, dem weltweit zweitgrößten Abnehmer portugiesischer Warenexporte, wuchsen ebenso wie etwa jene in die sprachverwandten Länder Angola, Brasilien und Mosambik.“ (BMF/Web/DE/Service/Monatsbericht vom 19.12.2014)

„U. a. die deutsche Automobilindustrie einschließlich ihrer Zulieferbetriebe sehr präsent und trägt zum Export des Landes bei“, heißt es dort weiter. Das kann ich im Alentejo, der ländlichsten Region Portugals, nicht sehen und schon gar nicht beurteilen. Wesentlicher Treiber der Dienstleistungsexporte Portugals ist der Tourismus, hier und in der Faro-Region neben der Landwirtschaft (Oliven, Wein, Kork, Fisch ) und natürlich Fleischproduktion, der einzig nennenswerte Entwicklungsfaktor. Dafür muss die Ausbildung der im Tourismus Tätigen noch wesentlich verbessern. Außerhalb der größeren Städtchen sind Englischkenntnisse zum großen Teil nur rudimentär ausgeprägt, teils könne. Hotel- und Pensionsbetreiber gar kein Englisch – trotz aller Freundlichkeit wird’s dann schwierig.

Der Aufschwung zeigt sich inzwischen, so die offiziellen Statistiken, auch beim Arbeitsmarkt. Die Beschäftigung steigt, jedenfalls in gesamteuropäischen Statistiken. Mit einem Durchschnittswert von 14,5 % für 2014 ist die Arbeitslosenquote noch immer sehr hoch, liegt aber 2 % niedriger als im vergangenen Jahr. welch ein Erfolg! Die Jugendarbeitslosigkeit ist hingegen mit derzeit 32,2 % noch immer erschreckend hoch, kein Land in Sicht. ( siehe auch BMF/Web/DE/Service/Monatsbericht vom 19.12.2014)

Strenge Maßnahmen, Vor allem für den öffentlichen Sektor, verlangen viel von den Betroffenen. Bei einem Monatsgehalt von über 1.000 Euro müssen sie auf ein 13. und 14. Monatsgehalt verzichten. Im Privatsektor ist die Arbeitszeit angehoben worden und der Urlaubsanspruch verkürzt, Ausgaben bei Bildung und Gesundheit werden weiter gekürzt. Das BFW stellt bedauernd fest, dass „verschiedene Maßnahmen, die zu dauerhaften Ausgabensenkungen hätten führen sollen, wegen mehrfacher negativer Urteile des portugiesischen Verfassungsgerichts nicht in der geplanten Form umgesetzt werden (konnten). Das Gericht hatte beispielsweise bestimmte Kürzungen von Gehältern und Renten im öffentlichen Dienst unter Verweis auf Vertrauensschutz und Gleichheitsgrundsatz als nicht verfassungsgemäß verworfen.“ (BMF/Web/DE/Service/Monatsbericht vom 19.12.2014) Daraufhin griff die portugiesische Regierung zu Steuerhöhungen, so dass die MwSt heute bei 23% liegt.

„Um den Arbeitsmarkt zu flexibilisieren und die Anreize für Neueinstellungen zu stärken, hat Portugal u.a. die Arbeitszeiten dereguliert, Abfindungsregelungen angepasst, die Bezugsdauer von Arbeitslosengeld gekürzt und die aktive Arbeitsmarktpolitik ausgebaut. Das Renteneintrittsalter wurde auf 66 Jahre erhöht.“ (BMF/Web/DE/Service/Monatsbericht vom 19.12.2014)

Exkurs: Soziale Sicherheit und Versicherungen (übernommen aus dem Internet)

Abhängig Beschäftigte, die ungewollt ihren Arbeitsplatz verlieren und arbeitsfähig sowie arbeitswillig sind (Registierung beim Arbeitsamt), können folgende Leistungen beantragen:

– Arbeitslosengeld (subsídio de desemprego);

– Arbeitslosenhilfe (subsídio social de desemprego);

– Teilarbeitslosengeld (subsídio de desemprego parcial).

Anspruch auf Arbeitslosengeld haben Arbeitslose, die in den unmittelbar vor Beginn der Arbeitslosigkeit liegenden 24 Monaten eine abhängige Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt von mindestens 450 Tagen nachweisen können.

 Anspruch auf Erstarbeitslosenhilfe haben Arbeitslose, die die vorgenannte Voraussetzung für den Bezug von Arbeitslosengeld nicht erfüllen und in den unmittelbar vor Beginn der Arbeitslosigkeit liegenden zwölf Monaten eine abhängige Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt von mindestens 180 Tagen nachweisen können. Diese Leistung wird auch Arbeitslosen gewährt, nachdem ihr Anspruch auf Bezug von Arbeitslosengeld erloschen ist.

Dabei darf das monatliche Einkommen des Haushalts 80 % des Indexes für Sozialleistungen (IAS), 419,22 EUR, nicht übersteigen; zudem darf der Wert des „beweglichen Besitzes (Bankkonten, Aktien, Investmentfonds)“ nicht höher sein als das 240-Fache des IAS.

 Teilarbeitslosengeld wird gewährt, wenn der Arbeitnehmer Arbeitslosengeld bezieht und eine Teilzeitarbeit aufnimmt, bei der das Arbeitsentgelt geringer als das Arbeitslosengeld ist, das er bezogen hat, und die normale Arbeitszeit kürzer als eine vergleichbare Vollarbeitszeit ist.

Das Arbeitslosengeld kann zwischen 9 und 30 Monaten gewährt werden, wobei das Alter des Arbeitnehmers und die Anzahl der Jahre ausschlaggebend sind. Die Arbeitslosenhilfe kann für dieselbe Zeit gewährt werden, außer wenn sie als Folgeleistung zum Arbeitslosengeld gezahlt wird. In diesem Fall wird die Bezugsdauer auf die Hälfte reduziert. Das Teilzeitarbeitslosengeld ist auf den für das Arbeitslosengeld festgelegten Bezugszeitraum begrenzt. Das Arbeitslosen-Tagegeld beträgt 65 % des mittleren Tageseinkommens der letzten zwölf Monaten.

Die Arbeitslosenhilfe kann zwischen 80 % des IAS bei alleinstehenden Beschäftigten und 100 % bei Beschäftigten, die Familie haben, betragen.“ (Eures, European Job Mobility Portal 04/2011)

Wie sehen die politischen Kräfte in Portugal aus? Noch werden die roten Fahnen gezeigt, zumindest am 1. Mai. Den Aufruf zum Generalstreik im Juni 2013 schätzt die PCP als Erfolg ein. Er wird 2015 im Juni wiederholt mit einem Marsch auf Lissabon.


„Aber eher früher als später wird das portugiesische Volk laut sprechen, wird es in die eigenen Hände nehmen, eine Politik aufzustellen, die seinen Interessen und Rechten entspricht, und «die nicht zu trennen ist von der Ausweitung und Verschärfung der Massenkampfes, mit allen Ausdrucksformen, die dieser während des Bruches mit der rechtsgerichteten Politik und beim Aufbau einer patriotischen linken Alternative annehmen kann“, wiederholt die Partei die Erklärung von 2013 zum 1. Mai dieses Jahres.

Original (port.): Sobre a situação polí­tica e os seus desenvolvimentos – Comunicado da Comissão Polí­tica do Comité Central do Partido Comunista Português, Segunda 15 de Julho de 2013 – Übersetzung: kommunisten.ch (16.07.2013)

 

 

Portugisische Charakterstudie oder die lautstärke Mentalität?

Ein lautes und vor allem duldsames Volk schenken die Portugiesen, zumindest in der . Die Straße ist eine öffentliche Telefonzelle und jeder Platz ist zugleich speakers corner. Alle hören oder können alles mithören, und weil die Erwachsenen so laut sind, müssen auch die Kinder schrecklich schreien, um wahrgenommen zu werden. Dazu knattern die Mopeds des Pizzbringdienstes rasend schnell vorbei und Autos, die einfach stehenbleiben, wenn ihre Faher_innen ein bekanntes Gesicht in der Nähe entdecken, verstopfen nicht nur die schmalen Straßen, sie werden auch nicht etwa ausgestellt und stinken rum.

Wenn einer nicht gleich bemerkt, dass jemand mit ihm plaudern will, dann wird einfach die Lautstärke verdoppelt, schrill gepfiffen oder alle, die bereits zusammen stehen, ruf gemeinsam. Das klappt dann sicher. Mit dem Auto wird zusätzlich gehupt, auch das garantiert die Aufmerksamkeit aller Umstehenden. Ich hatte es nicht so in Erinnerung. Vielleicht ein Resultat des Frühlings, die ich doch bislang nur im Winter hier war.
Aber: die Städte sind sauber, der Hundekot wird weitgehend eingesammelt, das hat sich inzwischen durchgesetzt und jeden Tag kommt die Müllabfuhr und lehrt an den zentralen Plätzen die unterirdisch versenkten Müllbehälter. Das läuft bestens. Pünktlich jeden Morgen gegen 8.30 Uhr treten drei Straßenfegerinnen in Aktion und fegen in ihrem Revier den ganzen Tag. Ob es tatsächlich Angestellte im öffentlichen Dienst sind, konnte ich nicht rausfinden, vielleicht sind es auch nur Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen.
Die Cafe’s auf den Plätzen sind oft voll, keineswegs nur mit Touristen. Portugiesen selbst sitzen gern im Café und nehmen sich viel Zeit miteinander zu palavern. Sie scheinen davon auch unendlich viel zu haben. Klar, die anderen sieht man nicht. Und wer nicht redet, weil er gerade niemanden getroffen hat und nicht verabredet ist,guckt in sein smartphone, auf sein tablet oder rubbelt Lose. Auch hier stirbt die Hoffnung zuletzt.
Richtig los geht es ohnehin erst nach dem Dinner. Dann noch mal schnell raus und mit allen treffen. So öffnen die meisten Bars, ohnehin erst 22.00 Uhr oder später, Konzerte, die Studies besuchen, beginnen nicht vor 23.00 Uhr. Ich suche nach Früherem, gelegentlich gibt es Konzert oder Ballett „schon“ 21.30 Uhr, das nehme ich. Vorher geht ohnehin nix. Ich bin noch immer fasziniert davon. Wie können sie dann morgens 8.00 Uhr erholt zur Vorlesung antreten?
So what: anpassen ist angesagt.

Ein Land der Felder, Wälder und der bäuerlichen Landwirtschaft

Der bedeutendste Wirtschaftsbereich in Portugal ist die Landwirtschaft. Durch die seit Jahren andauernde Landflucht gleitet dieser Bereich unübersehbar in die Ineffizienz über. Viele Landwirtschaftsbetriebe werden aufgegeben bzw. in touristenreichen Regionen in Ferienwohnsitze umgebaut, die sich dann die meiste Zeit de s Jahres selbst überlassen bleiben. Landflucht ist eines der bestimmenden Themen im Alentejo. 

Die Landwirtschaft macht nur etwa 5% des Bruttoinlandproduktes (BIP) aus, obwohl mehr als 15% aller Arbeitskräfte in diesem Bereich tätig sind. Dazu im Vergleich: der Anteil der Landwirtschaft am Bruttoinlandsprodukt in Deutschland im Jahr 2014 betrug nur noch 0,8% mit inzwischen höchstens 1% der Beschäftigten (Statistika 2015, internet 27.4.15)   

Exkurs:  Landwirtschaftliche Wertschöpfung pro Arbeiter ist ein Maßstab der landwirtschaftlichen Produktivität. Die Wertschöpfung in der Landwirtschaft mißt den Arbeitsertrag des Landwirtschaftssektors (ISIC Kategorien 1-5) abzüglic h der Werte der eingesetzten Zwischenressourcen. Landwirtschaft schließt die Wertschöpfung von Waldwirtschaft, Jagd, Fischerei sowie den Ackerbau und die Viehhaltung ein. Die Daten sind in konstanten Werten von US Dollar von 2011. (Quelle: Weltbank), d.h. für Portugal einen Wert unter 10.000 € pro Betrieb im Durchschnitt, wobei natürlich die Zunahme größerer Betriebseinheiten festzustellen.

Heute muss Portugal mehr als die Hälfte der benötigten Nahrungsmittel aus dem Ausland importieren. Eine große Krise wurde in der portugiesischen Landwirtschaft, und v.a. im Bereich des Mandelanbaus, durch die Konkurrenz in den Niedriglohnländern ausgelöst, obwohl es doch im Gesamteuropäischen Kontext selbst als Billiglohnland erscheint – noch nicht billig genug? Auch die Korkeichenplantagen sind davon betroffen. Das einzige, wovon Portugal in pflanzlicher Richtung profitiert ist der Anbau von Eukalyptus (Zellstoffindustrie) als mittlerweile wichtigster Wirtschaftszweig des Landes. Der Anbau führt rasch zur Devastierung des Bodens und verdrängt Teile der Tierwelt und den autochtonen Wald eine der nicht nachhaltigen und kurzsichtigen Alternativen.

Noch ist mehr als ein Drittel Portugals ist bewaldet. Die daraus gewonnen Waldprodukte und Früchte finden in der portugiesischen Industrie Verwendung. Die Nachfrage nach Kork, Harzen und Kiefernholz ist in der letzten Zeit gestiegen. Die Weinproduktion wächst, den ersten Platz in der Welt nimmt das Land mit dem Export von Tomatenmark ein. Durch diese Einnahmen können die Kosten für die fehlenden Fleisch- und Getreidevorräte durch Import fast ausgeglichen werden. Außerdem werden große Erträge bei Kartoffeln, Getreide und Oliven sowie Tomaten als Früchte erwirtschaftet. Lange Küsten und reiches Fischvorkommen begünstigen die Fischindustrie, v.a. Thunfisch, Sardellen und Sardinen, inzwischen auch wieder Kabeljau im Nordatlantik. (siehe dazu auch: www.ict-ccast.eu 2012, 27.4.15)

Auch: Portugal – das Land des Weines und der Korkeichen (https://www.landwirtschaft-bw.info/…/Portugal%20-%20das%20Land%20d…)

Ökologisches Grundlagenwissen und rechtliche Voraussetzungen für die Planung – alles da, aber die Umsetzung ist kompliziert

Eine Bestandsaufnahme des gesamten Landes, beruhend auf einem Datenbestand von 2000 bis 2009 liegt flächendeckend in unterschiedlichen Maßstäben vor. Dort wird auch aufgezeigt, wie die verschiedenen Planungsebenen und -instrumente ineinander greifen und wie „abgeschichtet“, also Aussagen und Maßnahmen für die nachfolgenden Ebenen konkretisiert werden können. Die Integration Portugals in das Europäische Netzwerk Natura 2000 steht außer Frage. 

Da Portugal ein sog. Zentralstaat ist und die Regionen zwar jeweils über „Außenstellen“ der Ministerien verfügen, laufen Entscheidungen zu Fragen des Naturschutzes in Lissabon zusammen. Die Kommunen haben insofern relative Planungshoheit, als sie über ihre kommunale Entwickung selbst bestimmen (Baugebietsausweisungen, Infrastrukturausbau etc.). Das können sie natürlich nur, wenn Mittel zur Verfügung stehen und auf der Grundlage eines politisch beschlossenen Entwicklungsplanes, der auch ökologische Anforderungen berücksichtigen sollte. Für Lissabon liegt ein solches Konzept vor, viele andere Kommunen verfügen noch nicht darüber.

 

Lissabons Sicherungskonzept ökologischer Achsen für Frisch- und Kaltluft, für eine Biotopvernetzung auch hinein in die Landschaft, aus: Magalaes, Manuel Raposo 2013: Estrutura Ecologica Nationa, uma Proposta de Delimitacao e Regulaentacao, Centro Estudos de Architectura Paisagista „Professor Caldeira Cabral“, Universidade Lisboa, Seite 184.

Das Instrumentarium der Landschaftsplanung und die Vorgehensweise entspricht dem deutschen Systen, da der „Begründer“ der Landschaftsplanung in Deutschland studiert hat. Natürlich fehlt hier die Mittelebene, es fehlt auch an systematisierten Bewertungsverfahren, v.a. zur Landschaftsbildbewertung, obwohl gerade hier im Alentejo den Planerinnen und Planern ihre historische Kulturlandschaft bewußt ist und ihr Verlust rasant voran schreitet. Viele Olivenhaine werden aufgegeben, Korkeichenwälder werden nur noch teilweise gepflegt und bewirtschaftet. Die Nutzung von Kork erlebt gerade durch den Tourismus neuen (kitschigen) Aufschwung. Immerhin.

Rural Tourism heißt, wie früher bei uns, noch viel zu oft alte, abgewöhnte Möbel in einen ungenutzten Teil des Hauses zu stellen u d auf schnelles Geld hoffen. Dass die Gäste inzwischen anspruchsvoller geworden sind, diese Erkenntnis sickert langsam durch. Klar, das ist nicht einfach zu realisieren in einer Zeit der Krise, wo jeder Euro zweimal umgedreht werden muss. Aber es ist der einzige Weg, auch der Zusammenschluss und die Zusammenarbeit an einem gemeinsamen Tourismusprodukt fehlt noch weitgehend. Gute Beispiele gibt es natürlich, vereinzelt.

Grundlage dafür sollten natürlich die Voraussetzungen des Naturhaushaltes sein, damit es nicht so endet wie an der zugebauten Küste mit Wohnburgen und nur noch wenigen naturnahen Strandabschnitten.

Nationalparks und Naturschutzgebiete auf Grundlage der CBD, zusätzlich existiert noch die Schutzkategorie „Regional Park“, ebenso wie in Deutschland zum Schutz der Kulturlandschaft, ebenda., Seite 154.

Leider stand mir kein Scanner zur Verfügung, daher vorläufig unbearbeitete Fotos.  

Dichter, Denker, Philosophen und anderes Geschriebenes – Portugiesisch fühlen, träumen, weinen, lachen und vor allem essen …

Eine kleine persönliche Auswahl, allzuviel ist auf deutsch nicht zu bekommen, als e-Book noch weniger. Natürlich Pessoa, auf den hier nicht verwiesen wird.

  
Pessoa sitzt immer noch in Lissabon’s Cafegarten herum

Antonio Tabucchi, Lissabonner Requiem, München 1991

Zwölf Stunden an einem sehr heißen Sommertag in Lissabon zwischen Traum und Realität, Vergangenheit und Gegenwart, verschwimmen Zeit, Raum und Personen in einem unauflösbaren Fluss und enden an der Mole des Tejo, natürlich mit Pessoa bei Vollmond. So morbide wie die Stadt selbst.

 Annegret Heinold, 111Gründe Portugal zu lieben, eine Liebeserklärung an das Schönste Land der Welt, Berlin 2014

Leitete 20 Jahre ein Gäste- und Seminarhaus, wohnt jetzt seit 2005 in Nordportugal auf einem Bauernhof und schreibt. Viele intersannte Hinweise, Tips und intime Infos über das Land, v.a. zu Lissabon und aus dem Alltäglichen. Ganz leicht wegzulegen und manchen auch nachzuleben; eine Reisebuch zum Mitnehmen.

 Jorge, Paradies ohne Grenze, Frankfurt am Main 1997

Ein sehr schräges Buch im Aussteigermillieu Lissabons der 80er Jahre. In einem zum Abbruch bestimmten Hauses leben sechs junge Leute, die nichts mit ihrer Vergangenheit zu tun haben wollen. Alle gehen bis an ihre Grenzen ohne Rücksichtnahme auf andere oder gesellschaftlichen Konventionen. Einer der riskanten Wege endet mit dem Tod eines im Mittelpunkt stehenden jungen Mannes. Damit sind die Grenzen tatsächlich überschritten. Beobachtend beschrieben von einer „Schriftstellerin“, die lediglich als Beobachterin ‚von außen‘ zusehen will, aber bereits mitten drin steckt. Nichts zum einfach weglegen.

Lidia Jorge, Die Küste des Raunens, Frankfurt am Main 1993

„Ein unerträgliches Übermaß“ an Harmonie in einem Koloniealhotel im indischen Ozean entwickelt sich zum politischen Krimi, der Portugals Kolonialgeschichteaufgreift. Erzählt von der tiefen Traurigkeit auf der einen Seite, auf der anderen von der grenzenlosen Blauäugigkeit und Arroganz einer Kolonialmacht.

 José Saramago, Die Stadt der Blinden, Hamburg, 1997

Menschen erblinden, als sie in der Nähe eines erblindeten Autofahrer waren. Blindheit breitet sich als Epidemie aus. Ein Staat reagiert brutal und interniert die Erblindeten, wo sie sich selbst überlassen bleiben. Eine Liebende scheint Hoffnung bringen zu können und ein Ausbruch soll alles verändern. Ein Motiv fast wie aus Verdi’s Aida.

Antonio Tabucchi, Erklärt Pereira, München 1997

(studierte Geisteswissenschaften in Paris und Pisa, Professor für die portugiesische Sprache und Literatur an der Uni Genua; lebte in der Toskana und in Portugal, wo er 2012 starb. Erklärt Pereira (Sostiene Pereira, 1994), in der Zeit der Salazar-Diktatur, ist bis heute seine wichtigste Arbeit) 

Pereira, ein Kulturjournalist, jahrelang Lokalreporter, gerät an drei junge Menschen, die seine anfängliche naive Hilfsbereitschaft, vielleicht aufgrund seiner Einsamkeit leicht gegeben, fordert am Ende eine Entscheidung, die sein Weltbild auf den Kopf stellt und ihn letztlich zwingt das diktatorische Salazarportugal zu verlassen. Eine philosophische Auseinandersetzung mit den eigenen Werten und dem „aufrechten Gang“.

Ralph Duti, Soutines letzte Fahrt, Göttingen 2013

Über das besetzte Paris, die Krankheit des russisch-jüdischen Malers Chaim Soutines, eine letzte Fahrt, die 24 Stunden dauert und dem Traum von der Anerkennung und plötzlichem Erfolg – über Repressionen und Furcht vor Entdeckung „vor der Zeit“.

Sylvia Roth, Ein Jahr in Lissabon, Reise in den Alltag, Freiburg im Breisgau 2012 – e-Book

Jedem Monat wird ein besonderes Erlebnis gewidmet. Sie hat ein Jahr in Lissabon gelebt, so dass die Erzählungen vor allem von dort stammen. Ein Buch, das darauf vorbereitet Portugal mit großer Gelassenheit zu begegnen. Mitzunehmen, wenn man Lissabon entdecken will.

Simon Kamm, Portugal: ein Länderporträt, Berlin 2014

Auch ein e-Book, das „intime“ Informationen über das Land gibt und eher den Charakter eines Reiseführers hat. Lohnt, weil es einfach mitzunehmen ist auf dem i-Päd.

Und doch noch ein „Standard“ der Weltliteratur:

Fernando Pessoa, Oh Lissabon, meine Heimat: Der Dichter als Flaneur, auch als e-Book – vor allem mit Tollen Zeichnungen.

Darüber muss nichts gesagt werden! ein Pappmaschee-Pessoa im schönsten Buchladen von Evora.

 

Reiseführer ohne Ende, auch noch unendlich viel weitere Weltliteratur und eine Menge toller Filme, v.a. natürlich über Lissabon. Gern erwarte ich Ergänzungen.




Leben in Portugal – heute

Der „Reformprozess in Portugal“ – ein Weg finanzieller und produktiver Schieflage

Gemessen an seinem Bruttoinlandsprodukt liegt Portugal an der 19. Stelle im Ranking der EU-Staaten. Und natürlich ist auch an diesem Land die aktuelle internationale Krise nicht spurlos vorübergegangen, im Gegenteil: Portugal wird immer wieder genannt, wenn es um die Frage geht, bei welchen EU-Mitgliedern der Staatshaushalt möglicherweise „auf der Kippe“ steht.

Die Krise hat Portugal seit mindestens 2009 fest im Griff, auch wenn die EU und ihre Troika von „wesentlichen Fortschritten“ sprechen und Portugal eine gangbare Zukunft bescheinigen. Die EU fordert aufgrund ihrer Finanzhilfen „einen tragfähigen Kurs“, um die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft zu errreichen. „Nach Irland und Spanien ist Portugal das dritte Land, das sein Hilfsprogramm erfolgreich beendet hat und sich wieder eigenständig am Kapitalmarkt finanziert.“ (BMF/Web/DE/Service/Monatsbericht vom 19.12.2014)

Der Reformweg ist nicht abgeschlossen, sondern wird noch Jahre fortdauern und die staatlich verordnete Haushaltskonsolidierung wird durch vereinbarte Strukturreformen fortgesetzt. Dass diese Strukturreformen die kurze Periode „individuellen Aufstiegs“ eines großen Teils der Gesellschaft zunichte gemacht hat, ist offensichtlich.

Vor dem Ausbruch der Wirtschaftskrise hatte Portugal etwa ein Jahrzehnt ein schwaches Wirtschaftswachstum erlebt, dass für die Mehrheit der Bevölkerung zum ersten Mal „fühlbar“ werden ließ, dass „es aufwärts geht“ und man sich – im Gegensatz zu früher – „etwas leisten konnte“. Größeres Wohneigentum, die eigene Waschmaschine und allem voran ein Auto verschleierten.

Eine dieser „Randnotizen“ ist, dass in der Zeit des Aufschwungs viele Portugiesen stärker auf ihre Gesundheit achten konnten, zeigt sich u.a. daran, dass sie sich Zahnersatz leisten konnten, überhaupt gesundheitliche Vorsorge vornehmen konnten, was nunmehr wieder stärker vernachlässigt werden muss.

Da jedoch die geringe Produktivität blieb, ging die viel zitierte „Party“ des rasanten Aufschwungs, wie ihn beispielsweise Irland und zum Teil auch Spanien vor einem herben Abschwung erlebten, rasch zu Ende und war in Portugal ohnehin wesentlich geringer ausgefallen. So war das Wachstumspotenzial mit einer nachlassender Wettbewerbsfähigkeit und tiefgreifenden strukturellen Hemmnissen stetig gesunken, was die einsetzende weltweite Krise besonders schmerzhaft werden ließ.

Zudem nahm die Auslandsverschuldung Portugals weiter zu, so dass ab 2009 mit der erwähnten globalen Finanz- und Wirtschaftskrise das Haushaltsdefizit und die Staatsverschuldung den europäisch vereinbarten Rahmen sprengte. Das führte dann auch dazu, dass das Vertrauen aus- wie inländischer Investoren schwand, Risikoaufschläge auf portugiesische Staatspapiere hingegen steigen und so eine eine tragbare Kapitalmarktfinanzierung fehlte.

Portugal musste unter den sog. „Rettungsschirm“ schlüpfen und im Mai 2011 ein dreijähriges makroökonomisches Anpassungsprogramm (Hilfen der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF), des Europäischen Finanzstabilisierungsmechanismus (EFSM) und des Internationalen Währungsfonds (IWF)) von 78 Mrd. € in Anspruch nehmen, wovon Portugal 75,4 Mrd. € abrief.

Die Troika (Europäischer Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und IWF, Vertreter (nicht gewählt oder durch eine Kommission kontrolliert) hat eine Reformagenda ausgehandelt. Das Programm hatte und hat es zum Ziel, „den Staatshaushalt dauerhaft zu sanieren, den Finanzsektor zu stabilisieren und über strukturelle Reformen das Wachstumspotenzial zu stärken“. Im Frühsommer 2014 hat Portugal dieses Programm beenden können und die Repression vorerst abstreifen können.

Seit 2013 wird von einen Wirtschaftswachstum von 0,9 % ausgegangen (BMF 2014). Konsum und Investitionen im Privatsektor wachsen angeblich, erreicht durch eine Mischung aus Effizienzverbesserungen und Lohnzurückhaltung. Die Menschen hier erzählen anderes und empfinden anderes.

„Die Exportquote des Landes ist von 28 % des BIP im Jahr 2009 auf rund 40 % im Jahr 2014 gestiegen. Die Ausfuhren nach Deutschland, dem weltweit zweitgrößten Abnehmer portugiesischer Warenexporte, wuchsen ebenso wie etwa jene in die sprachverwandten Länder Angola, Brasilien und Mosambik.“ (BMF/Web/DE/Service/Monatsbericht vom 19.12.2014)

„U. a. die deutsche Automobilindustrie einschließlich ihrer Zulieferbetriebe sehr präsent und trägt zum Export des Landes bei. Wesentlicher Treiber der Dienstleistungsexporte Portugals ist der Tourismus.

Der Aufschwung zeigt sich inzwischen, so die offiziellen Statistiken, auch am Arbeitsmarkt. Die Beschäftigung steigt. Mit einem Durchschnittswert von 14,5 % für 2014 ist die Arbeitslosenquote zwar noch immer sehr hoch, liegt aber bereits 2 Prozentpunkte niedriger als noch im vergangenen Jahr (die Jugendarbeitslosigkeit ist noch erschreckend hoch, mit derzeit 32,2 %. (BMF/Web/DE/Service/Monatsbericht vom 19.12.2014) Erreicht wurde dies durch die Senkung der Staatsausgaben, vor allem durch Stellenabbau im Öffentlichen Dienst (Bildung, Gesundheit etc.) und einer erheblichen Kürzung der Gehälter, der Pensionen und der Ausweitung der Wochenarbeitszeit auf 40 Stunden. Urlaubs- und Feiertage wurden gleichfalls reduziert. Das haben die Portugiesen fast widerspruchslos hingenommen, große Demonstrationen und Aufrufe zum Generalstreik finden auch noch heute (demnächst im Juni 2015) fast nur in Lissabon statt. In den ländlichen Regionen mit überwiegend landwirtschaftlicher und touristischer Wirtschaftsgrundlage wurde und wird kaum protestiert.