Zusammen mit allen Schülerinnen und Schülern von ganz Lissabon hat der Bahnhof mich pünktlich um 13.00 Uhr ausgespuckt und ans Ufer des Tejo gespült. Wie alle andern sitze ich nun völlig entspannt und komplett durchgewärmt in der Mittagssonne. Schon seit mehr als einer Stunde. Ich sehe: Portugal ist ein junges Land, zumindest hier, die Gruppen an Schülern sind groß, alle drängen sich zusammen, möglichst an eine Tisch, plaudern, rauchen – sehr viel – und trinken vorwiegend Bier; gelegentlich auch Café. Gegessen wird portugiesischer Burger, dazu später mehr. Auch die Bänke am Fluss, die bei unserem letzten Besuch der Exkursion noch überwiegend leer waren, heute sind sie alle belegt.
Am fahlblauen Himmel ist kein Wölkchen zu sehen und gelegentlich weht ein kleines kühles Lüftchen Erfrischung herbei. Wir würden sagen Sommerwind, aber die vielen Daunenjacken, die über den Stühlen hängen, widersprechen. Ich höre um mich engagierte Unterhaltung und verstehe kein Wort. Das hat auch was, ich kann vollkommen unbeteiligt bleiben. Im Moment gehört das Ufer, die Esplanade der Jugend. Ältere gehe gediegen Mittagessen in einem „besseren“ Restaurant, das nicht direkt am Ufer liegt. Aber warum auf das Glitzern des Tejo verzichten? Das gegenüberliegende Ufer ist ganz in Weiß getaucht, friedliches Weiß, das vergessen lässt, dass dort industriell gearbeitet wird. Die alten und auch neue Hafenanlagen liegen auf der anderen Seite.

Der Bahnhof Oriente ist ja eine tolle Betonkonstruktion, die mit ihren gigantisch gespannten Bögen schwer Eindruck macht. Die unteren Ebenen mit breiten gekachelten Sitzbänken und kleine versteckten Seitenräumen, die Wichtiges enthalten, verkommen zunehmend. Niemand außer ganz armen Menschen und etwas „raueren“ Jugendlichen und der Polizei will sich dort aufhalten. Nach ca. 20 Minuten Suchen habe ich dann die Schließfächer gefunden, drei Mal fragen und dann kein Kleingeld. Also alles wieder raus, wechseln gehen, wieder rein. Und alles nur weil dieser altmodische Automat weder Scheine noch Karten nimmt. Im modernsten Bahnhof Portugals!
Die Beobachtung des Nachmittags: alle jungen Frauen und Mädchen tragen ihre Haare lang und hauptsächlich offen. Erst wenn Kinder da sind, ist kürzer erlaubt, zumindest vereinzelt. Elegant glatt, gewellt und gelockt, gefärbt oder nicht – Hauptsache lang. Ich werde das beobachten.
Travessa de Landin das mir, die ich soooo gern mit wenig Gepäck reise. Heute habe ich 23 kg Koffer, der erste, der vom Gepäckband hergegeben wurde und einen gefühlten Zentner Rucksack und eine Tasche, die rote, die auch wiegt, nicht zu knapp. Braucht Frau das wirklich alles?
Aber die angeschlossene Shoppingmall brummt. Auf das Wock-Restaurant habe ich verzichtet, musste unbedingt raus an die Sonne, um mir schon mal heute einen Sonnenbrand zu holen. Nr. 60 steckt tief unten im Koffer. Ich gehe doch in den Schatten, es ist Ebbe und die Strandläufer streiten mit den Möwen um Würmer oder so’n Zeugs.
