Das hautnahe Erleben der europäischen Krise ist hier jederzeit möglich. Auch die Hochschullehrer_innen sind massiv betroffen und sie berichten übereinstimmend, dass die kleine, kaum entstandene Mittelschicht verschwindet und das alte Verhältnis mit der weit aufgespannten Schere zwischen arm und reich wieder für alle fühlbar ist.
Eine der Professorinnen hat in den letzten zwei Jahren etwa 700 € an monatlichem Verdienst eingebüßt, eine andere muss in Lissabon von 900 € leben und in Evora unterrichten. Zwar ist der Zug billiger als die Busverbindung, aber dennoch, alles muss bezahlt werden. Und die Lebenshaltungskosten sind, soweit ich das feststellen konnte, nicht sehr viel niedriger als bei uns. Obwohl die Mehrzahl der Einwohner Wohneigentum besitzt, was sicher etwas entlastet, muss auch das finanziert werden, wenn es nicht ererbt ist.
Was ist passiert: die Europäische Union hat ihre strenge Hand auf Portugal gelegt, lange vor der griechischen Tragödie. Das hatte zur Folge, dass alle öffentlichen Bediensteten eine heftige Gehaltskürzung hinnehmen mussten. Dann folgte eine kräftige Steuererhöhung und schon fehlt eine dicke Summe im Portemonnaie mit weitreichenden Folgen.
Das schon alte Auto mit kaputter Elektrik kann nicht repariert werden, Restaurants, bei denen noch vor einem Jahr eine Reservierung erforderlich war, bleiben heute fast leer, Urlaubsreisen sind ganz gestrichen, die Teilnahme an Konferenzen entfällt, da die Uni dafür ohnehin kein Geld hat. Und diese Schleife schaukelt sich weiter auf. Da die Kosten des Studiums mit ca. 1.000 € im Jahr finanziert werden muss, müssen viele überlegen, ob sie es sich leisten können, ihre Kinder studieren zu lassen. Dann müssen zuerst die Lehrbeauftragten gehen, wenn die Anfängerzahlen sinken, wie es jetzt gerade der Fall ist. Aber auch alle anderen stehen unter Druck, eine „Verbeamtung“, wie wir sie kennen (und schätzen), gibt es hier nicht.
Trotzdem bleiben die Menschen fröhlich – jedenfalls auf den ersten und zwei Blick. Sie improvisieren, sie unterstützen sich gegenseitig, vor allem müssen sich die Kinder um ihre Eltern kümmern, denn deren Renten sind schmal, wenn sie überhaupt eine haben. Und nicht vergessen, Harz 4 (egal wie man dazu steht), eine solche Grundsicherung gibt es hier auch nicht.
Gespannt bin ich auf den 25. April und den 1. Mai. Noch habe ich keine Aufrufe entdecken können. Dafür aber ein Plakat mit Frau Merkel (links!) und dem Regierungspräsidenten (rechts) und folgendem deutschen Text: „Unsere Regierung ist deutscher als die deutsche!“, nur ein kleiner Untertitel übersetzt ins portugiesische, ist wohl nicht nötig. Deutschland, doch ein Wintermärchen?

Die FDP ist auch keine Lösung
