Auf nach Castelo de Vide

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ein wenig angestaubt, leicht verwittert – was wird uns erwarten?

Die Crew der Lehrenden und der Studies trifft sich am anderen Morgen verschlafen um 8.00 Uhr vor der Hochschule. Angetreten sind der Dean, die Professorinnen Landschaftsarchitektur, Ema und ihre liebe Freundin Manuela, eine interessierte Stdentin aus Syrien, die in Portugal ihren Master macht und unsere Ladies.

Der Empfang in CdV isst offiziell und das heißt: warten auf den Bürgermeister, der uns dann ein Referat über seine touristischen Aktivitäten hält.

Dann beginnt das Wichtigste. Gemeinsam zu essen und ca. 3 Stunden so zu tun als würde gearbeitet. Nichts geht dem Portugiesen über seine Mittagspause. Da kann entweder „abgeschaltet“ werden oder es handelt sich, wie beim Bürgermeister immer, um ein Arbeitsessen. Da erstellst aber erst Ca. 20 Minuten später mit dem Gefolge eintrifft, müssen alle anderen vor der Tür des Restaurants auf ihn warten. Ein separater Bürgermeister-Arbeitstisch steht bereit. Ein kurzes Gerangel um die besten Plätze beginnt. Wir, die ausländischen Gäste sind nicht unter den Erwählten. Für uns kein Problem, da der Bürgermeister ohnehin nur rudimentär Englisch spricht.

Ema Bericht über ihn, dass erweitert der aktivsten und kreativen Politiker der Region ist, der im eigentlich links-sozialistischen Alentejo eher die Politik der rechteren Partei … verfolgt.

Weil solange gegessen wurde, fällt der organisierte Stadtrundgang aus. Die Geschichten der Unterkünfte ist eine eigene, die später erzählt wird.

Wir aber machen uns auf in unser potentielles Planungsgebiet und umrunden die Talsperre per Auto mit Ema, Manuela und den Studierenden, bis die Sonne goldrot hinter den Bergen versinkt. Noch verstehen wir wenig von Mensch, Kultur und Landschaft. Aber das wird schon werden.

 

Wieder in Evora – Sonne empfängt uns heiß

Als wir aus dem klimatisierten Auto aussteigen, weißer wir plötzlich, dass wir wirklich im Süden gelandet sind. Freiwillig wählen wir die Schattenseite der Straße, um den Treffpunkt mit Ema und ihren Studenten zu erreichen und lechzen nach Wasser. Nach kleinen Verwirrungen sitzen wir dann im Schatten eines Cafés und finden die Welt hier in Ordnung.

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alle beisammen nach einer Miniweinprobe von Alentejo-Wein – Ema fehlt, sie muss noch organisieren

Peter zeige ich mein Lieblingskaffee, damit die tägliche portugiesische Zuckerration stimmt. Dann schlendern wir erschöpft zurück ins Hotel und fallen erstmal aufs Bett, ehe wir gemeinsam Essen gehen. Ema übersetzt die Speisekarte, denn für uns hören sich alle Gerichte nach „schschsch…“ an, das typische Geräusch portugiesischer Sprache.

Die Stutentinnen werden für den Abend von portugiesischen Studenten in Empfang genommen und in die Fetenkultur der Universität eingeführt. Die letzte Woche ist frei und zur Vorbereitung der Examen gedacht. Seit einigen Jahren hat sich daraus eine Feierkultur entwickelt, die sich durch viel Alkohol und lautes Grölen durch die Stadt auszeichnet. Viele flüchten davor und warten auf besser Zeiten. Und unsere Studierende schlafen im Priesterseminar weg und laut.

Die Vorträge beginnen am nächsten Morgen moderat um 10.00 Uhr. Allerdings fehlen die Landschaftsarchitekten, die dann ca. eine halbe Stunde später sind zumindest die Studierenden da und hängen Pläne auf.

Ana stellt im Seminarraum der Universität Evoras ihre Arbeitsergebnisse vor.

Die Studierenden stellen ihre Arbeitsergebnisse vor und versuchen es für uns in Englisch, unterstützt von ihren Professorinnen. Abäer es bleibt dabei: Ema hat alles organisiert und was sie nicht selbst übernommen hatte, muss „nachgearbeitet werden. Auch Rute hat ihre übernommenen Aufgaben nur zum Teil erledigen können, so dass Ema, die Arme, seit unserem Eintreffen in der Stadt dauernd am Telefon hängt.

Aber letztlich begreifen wir, dass die Studierenden das Planungsgebiet im März für ca. 4 Stunden gesehen haben und alles andere am grünen Tisch entstanden ist. Ein detailliertes Ziel können wir nicht erkennen. Uns scheinen die Vorschläge willkürlich und am Luftbild von Google orientiert. Aber wir dürfen alle Pläne mitnehmen und daran weiter oder neu arbeiten.

Ob die Ideen der Studies aus Portugal in Castelo de Vide landen, bleibt offen. Rute meint dazu,“wenn der Bürgermeister es sehen will, dann …“. Aber woher soll er wissen was gelaufen ist – außer, dass es uns als Fingerübung für die Studies erscheint.

Über den Tejo auf die andere Seite Lissabons

Mit der Fähre geht es ganz schnell. 12 Minuten Schiffchen fahren, ein kleines Kurzes Gefühl von der großen Seefahr und Wind um die Nase, schon ist die Fahrt vorbei: In Cacilhas gelandet.

Die Hafenindustrieanlagen sind inzwischen alt und verrottet, der Fischfang bietet kaum noch eine wirtschaftliche Perspektive und lange Zeit „dümpelte“ diese Seite der Stadt ein wenig vergessen vor sich hin. Inzwischen ist das anders geworden – aus verschiedenen Gründen

– um 2000 hat die EU mit zahlreichen Projekten zur regionalen und urbanen Entwicklung dieses Gebiet gefördert,

– da man dort preiswerter lebt als in Lissabon sind viele Imigranten aus den ländlichen Regionen dort geblieben und pendeln täglich in die Hauptstadt (auch auf der Suche nach Arbeit)

– Neue engagierte Stadtverordnete und ein aktiver Bügermeister setzten auf Tourismus und bringen die Stadt und ihre Einwohner in Schwung.

Eine der ersten Initiativen war es eine Fußgängerzone einzurichten und die Privatbesitzer von Häusern zu animieren sie zu renovieren und zu modernisieren. Dies aber in einem typischen portugiesischem Stil, um den Charakter und die Identität des Ortes wieder  zu beleben. Dabei hilft intensive Beratung durch Architekten und die Unterstützung bei der Finanzierung. Noch haben nicht alle die Überzeugung, dass dies der richtige Weg ist und die Stimmen, die glauben schon jetzt seien zu viele Touristen da, mehren sich.


Auf dieser Seite des Tejo leben nicht nur ein paar Menschen. Unmittelbar gegenüber ist die Bevölkerung auf 200.000 gewachsen, in der etwas weiteren Region leben weitere 200.000, ein dicht besiedelter urbaner Raum also. Zersiedlung ist ein zentrales Thema, das auch mit der Erhaltung der Kulturlandschaft konkurriert. Aber was ist das Typische dieser Landschaft?

Noch ringen  Engagierte um Kriterien und Instrumente für deren Sicherung, denn Naturschutz, der ausschließlich ökologische Momente anerkennt, wird nicht ausreichen.

Wo Wasser zu Wein wird

33 Wasserverteilstationen haben seit dem 18. Jahrhundert viele Jahrzente die Einwohner Lissabons mit frischem Wasser aus ihrem Aquädukt und verschiedenen Wasserreservoirs versorgt. Das Wasser war ein „Allgemeingut“ und so für alle kostenfrei. Separate Leitungen, die über hunderte Kilometer die Stadt unterirdisch durchzogen und von denen noch viele begehbar sind, lieferten ausreichend Trinkwasser für alle. Schon damals sammelte man in Zisternen „braunes“ Wasser, Brauchwasser, meist Regenwasser, mit dem Tiere getränkt  und Gärten gegossen wurden.

Bereits 1571  wurden Überlegungen angestellt Wasser von der stadtnahen Quelle Águas Livres per Viadukt nach Lissabon zu führen. Da zwei Jahre zuvor hatte eine Pestepidemie tausende Todesopfer gefordert hatte, war das Land stark geschwächt, personell wie finanziell. Dann fiel 1580 Portugal für viele Jahre an Spanien, so dass in dieser Abhängigkeit Modernisierungprojekte unterblieben. Lange 200 Jahre bis zur Unabhängigkeit von Spanien herrschte Stillstand.
Goldfunde in Brasilien ließen Lissabon im 18. Jahrhundert wieder aufblühen, die Stadt wuchs auf 200.000 Einwohner heran. All die Menschen brauchten Wasser. So erinnerte man sich an die alten Planungen für eine Wasserleitung. 

1748, nach 16 Jahren Bauzeit, ging der  Aquädukt Águas Livres in Betrieb und es überstand sogar  das verheerende Erdbeben von 1755 unter anderem deshalb, weil er außerhalb der Stadtgrenzen lag und daher von den Erschütterungen nicht unmittelbar erfasst wurde. 

Die Wasserverteilstationen waren in der Stadt verteilt, so dass alle Quartiere versorgt werden konnten. Allerdings ging der Aquädukt bereis wenige Jahre nach Fertigstellung zugunsten einer moderneren und individuellen Wasserversorgung von Bevölkerung und vor allem der Industrie außer Betrieb. Heute ist er zu einer touristischen Attraktion geworden, ebenso zu besichtigen wie das Mae d’Aqua, eine der historischen Wasserverteilstationen, die noch mit Wasser gefüllt sind (ehemals 880.000 Liter) und heute als Konzerthalle dienen oder das Wassermuseum mit seinen alten Dampfmaschinen.

Von Anfang an nutzten auch Händler die komfortable Brücke über das Tal. Eine charakteristische Erscheinung des 18. und 19. Jahrhunderts waren zudem Träger, die das in Fässer abgefüllte Wasser von Lissabon an den Mann und die Frau brachten. Seit 1967 fließt kein Wasser mehr durch den überdachten Kanal des Aquädukts.

Heute werden die alten Wasserverteilstationen z.B. als Restaurant oder Bar genutzt, wie diese, die wir besucht haben.
 

Heute ist in einem dieser Wasserverteilstationen eine wunderbare Weinbar zu besuchen, die einen kleinen Einblick in das alte  ausgeklügelte Wassersystem gestattet und ihren Wein 100 Meter tief in den alten Stollen gekühlt lagert. Na denn, Prost, Saude (!) (http://www.chafarizdovinho.com/en/index.htm)

Am nächsten Tag: ab ins Wassermuseum und ins Mae d’Agua das Amoreiras.

Auf in den Süden: mit Studierenden an einen unbekannten Ort

Mit der großen Freiheit Projekte und Projektideen selbst entwickeln zu können, hatten meine Kollegin Ema von der Universität Evora und ich überlegt und beschlossen ein weiteres gemeinsames Projekt zu initiieren, denn
– gemeinsam zu arbeiten macht uns Freude,
– wir finden es wichtig für die deutschen und portugiesischen Studierenden internationale Kontakte zu knüpfen und andere Kulturen, auch Planungskulturen kennen zu lernen und
– vielleicht können wir mit frischen und überraschenden Ideen einen klitzekleinen Beitrag zur touristischen Entwicklung von Castelo deVide, einer ländlichen Region nahe der spanischen Grenze, beitragen: rural sustainable Tourism.

Die Vorbereitungen von unserer Seite waren nicht einfach. An genaue Plangrundlagrn gewöhnt Scheit es für uns im Moment noch schwierig das Planungsgebiet zu fassen. Sprachliche Probleme lassen dies nicht einfacher werden, denn die Unterlagen, die wir bislang auswerten könnten, weisen noch viele Ungenauigkeiten, Unschärfen und Lücken auf, so dass die Zieldefinition der Aufgabe weiterhin offen, sehr weit offen ist.
Worum wird es voraussichtlich gehen?
Eine Talsperre, die vorwiegend zur Energieerzeugung dient, soll touristisch mit dem Ca. 15 Kilometer entfernten Castelo verbunden werden, das wiederum an ein waldreiches Naturreservat angrenzt. Besonderheiten, die sich aus bisheriger Sicht zeigen sind:
Olivenhaine, Korkeichenwälder, Menire und Rundsteinhäuser, die vermutlich früher von Hirten und ihren Tieren genutzt wurden und heute verfallen, Aussichtspunkte von höheren Berghängen, Wander-, Rad- und Reitwege, historische Gebäude, jüdische und maurische Kultur, Wasserflächen und vielleicht Wassersport, Energieerzeugung aus natürlichen Ressourcen, einen gigantischen Sternenhimmel, Natur eben.
Wir denken nach über „Wohnen an ungewöhnlichen Orten“, „Natur hautnah – die Hize des Tages, 1000 Sterne in der Nacht“, „Spuren der Hirten- in der Steinzeit“ und hoffentlich noch viel mehr.

Was werden wir noch entdecken  ? Morgen geht’s los!

Im Süden ist’s richtig billig – ein Nachtrag

Der Vergleich des Preisniveaus in den EU-Staaten, der Schweiz und Norwegens aus dem Jahr 2014 des Statistischen Bundesamtes (Hannoversche Allgemeine Zeitung 23.6.2015) zeigt den Abstand der EU-Länder in % im Durchschnitt an. Dabei liegt die Schweiz mit einem durchschnittlich höheren Preisniveau von +54,1% absolut an der Spitze, gefolgt von Norwegen und den weiteren skandinavischen Staaten. Auch Frankreich ist teuer geworden und zwar im Vergleich zu Deutschland um 6,2% und liegt gegenüber dem Durchschnitt mit 7,8% an 10 Stelle.

Portugal gehört zu den preiswerten, noch nicht zu den „billigen“ Reiseländern mit einem Prozentsatz von -18,9% gegenüber dem Durchschnitt. Selbst Griechenland ist noch vor Portugal gelistet. Wer sehr „billig“ urlauben will, fährt nach Albanien, Bulgarien oder nach Montenegro, das gegenüber der Schweiz 100% „preiswerter“ zu bereisen ist, mit einem Preisniveau von -53,3%.

– Aber was heißt das für die dort lebenden Menschen?

– Aber was heißt das für das Verhalten der Touristen?

– Aber was heißt das für das gemeinsame Projekt Europäische Union?

Bye bye Alentejo

die Zeit ist vorbei. Einerseits lang, andererseits kurz, sind die Monate,vergangen. Der Abschied, vor allem von Ema, ist schwer gefallen. Und obwohl ich noch immer nicht portugiesisch spreche, ist es ein Land, das es zu lieben lohnt. Die Menschen, die landschaft, der Lebensrhythmus, der zumeist blaue Himmel und die verlässliche Sonne. Die Hitze des Sommers, von der ich nur einen kleinen Vorgeschmack spüren konnte, bestimmt das Leben, seine Langsamkeit um die Mittagszeit und die langen Nächte.

Ich habe reichlich Kleingeld aufmerksam Straße gefunden, ein sicheres Zeichen für eine Wiederkehr. Darauf hoffe ich und freue mich auf 2016 – zurück im Alentejo.

Studenten halten einen Privatpalast instand

Direkt hinter der Kathedrale findet sich ein alter Stadtpalast, in dem  von Montags bis Freitags ein veganes Guerilla-Restaurant betrieben wird – illegal. Nur Mittags geöffnet, stehen Suppe, Hauptgericht und Dessert sowie verschieden Säfte auf der Karte, die nur als Kreidetafel existiert.


Nachdem wir es schon einmal am Samstag versucht hatten, sind wir am heutigen Montag schon kurz nach 12:00 in dem kleinen Garten vor dem Palast. Ein Student bescheinigt uns im perfekten Englisch, dass es heute etwas zu essen gibt. Es würde gerade noch zubereitet. Ob wir denn solange eine Führung durch den Palast nehmen wollen. Wir wollen. Der Palast ist immer noch in Privatbesitz, allerdings ist die Familie verarmt und kann das Haus nicht instand halten. Der Sohn, inzwischen über 70, hat daher das Gebäude einigen Studenten übergeben, die dort wohnen, das Restaurant betreiben und dafür das Haus instand halten.

Während der Führung erfahren wir einiges über die Eigentümer-Familie. Offenbar hat der Großvater viel Geld mit dem Eisenbahnbau gemacht. Die Söhne haben es teilweise auf Großwild Safaris in Afrika – im wahrsten Sinne des Wortes – verpulvert, dann hat die Aufteilung des Besitzes auf 6 Kinder dem Vermögen den Rest gegeben. Anfangs hat der jetzige Besitzer noch im Restaurant mitgekocht. Jetzt ist er dafür zu alt, kommt aber häufiger zum Essen vorbei.

Es geht erst durch die Küche, in der Workshops, u.a. zum veganen Kochen veranstaltet werden.

Wir werden durch das Jagdzimmer geführt. Viele Fotos mit erlegten Tieren, Elefanten, Antilopen, ein Gepard. Zwei Schlossflinten stehen noch im Gewehrständer.

 

 
Die kleine Kapelle hat noch den originalen Altar mit Bild. Die anderen Gemälde wurde vor Jahrzehnten entfernt, als das Haus leer stand. Und mussten dann verkauft werden, als das Vermögen aufgebraucht war. Überall finden sich Azulejos. Klassische Muster, Tableaus mit farbigen Szenen, oft religiöse Themen aber auch Vogeldarstellungen aus Brasilien.


Wir dürfen auch auf den Turm – mit einem atemberaubenden Blick über Evora und die Landschaft. Die Apsis der Kathedrale liegt direkt vor einem. Es ist der höchste Punkte der Stadt – nur der Turm der Kathedrale ist noch deutlich höher, denn dessen Höhe durfte nicht erreicht werden.

  

Der Blick auf die Dächer des Palastes zeigt, wo eine Hautaufgabe der Studenten liegt. Die Instandhaltung der Dächer. Hitze und Starkregen setzen den historischen Dächern zu. Sie nutzen Dachziegel aus einem verfallen Teil des Palastes, um die Löcher in den zu erhaltenden Gebäudeteilen zu stopfen. Clark, dass die „Mönch und Nonne-Ziegel“ verwenden. Konisch geformt, passen angegossen auf den Oberschenkel des Herstellers, denn das ist die maßgebende Form.

Wir dürfen noch in die kleine Bibliothek und dann ist das Restaurant so weit und wir speisen im Garten.

Das alte Dorf geht unter – Renaissance an einem anderen Ort

Vor ca. 60 Jahren noch unter der Salazar-Diktatur entstanden Pläne im Nordosten des Alentejo eine große Talsperre Barrage de Alqueva zu bauen. Ziel war es, die dortige trockene Region zwischen den beiden Flüssen Rio Guadiana und Rio de Godelim und weiterer kleinerer Zuflüsse landwirtschaftlich zu entwickeln und gleichzeitig einen großen Teil der Elektrizität so zu gewinnen. Dass damit Dörfer, Orte und Städtchen „absaufen“ würden, wurde billigend in Kauf genommen. Das Prokejt konnte jedoch erst realisiert werden, als Portugal schon länger Mitglied der EU war und endlich genügend Geld floss. Inzwischen hatte sich das Land weiterentwickelt und die landwirtschaftliche Produktion steckte in einer Krise, wie auch sonst überall in Europa einem harten Konkurrenzdruck ausgesetzt. Dennoch, geplant ist geplant, projektiert ist projektiert. Das Projekt ist mit vielen Versprechungen über bessere Lebensbedingungen gestartet, bis der Baugesellschaft das Geld ausging und vieles inmitten gut gemeinter Ideen steckenblieb.

Seit 12 Jahren ist der See nun geflutet, am Schluss musste alles schneller gehen als vorgesehen, denn es standen mal wieder Wahlen an und die Furcht des Regionalpolitikers nicht zu gewinnen, was womöglich bedeutet hätte, dass das Projekt „gestorben“ wäre, machte das vorgezogene Fluten notwendig. Wenn das Wasser erst einmal läuft, gibt es kein zurück.     

Die Struktur erhalten, der Raum überdimensioniert und tot  

Wie erging es den Menschen, die ihre Heimat verloren und wie geht es ihnen heute?

Der neue Ort Luz, in seiner Struktur exakt aufgebaut, wie das alte Luz, ist ein Produkt Schweizer und portugiesischer Architelten. Sie haben angeblich die Wünsche der Bewohner an ihr neues Zuhause gesammelt und „so weit“ möglich, umgesetzt. Alle Häuser wurden „klassifiziert“, so dass die Familien „ihren Standard“ wieder erhielten. Da aber schon seit 1995 Baustopp für das alte Luz verfügt war, mussten die jungen Familien, die nicht mit den Eltern oder Schwiegereltern unter einem Dach leben wollen, den Heimatort oder gar die Region verlassen. Zurück blieben wie immer die Alten und wenige, die noch von der Landwirtschaft lebten und leben können.

Ema, Soziologin, hier an der Hochschule veranwortlich für touristische Fragen, ist gerufen worden, um das schwierige Verhältnis zwischen dem neu entstandenen Heimatmuseum und den Bewohnern von Luz „zu verbessern“, eine gute Gelegenheit auch einen ‚fremden‘ Blick auf den Freiraum und die Umgebung zu werfen, denn Emas  und Antonios (Fotograph) Eindruck ihres ersten Besuches war, dass es ein totes Dorf ist, ganz ohne Grün.

Und der Schildbürgerstreich schlechthin ist, dass die Ex-Bürger von Luz noch heute für abgerissene und geflutete Häuser, für überschwemmtes Land Steuern zu zahlen haben. Wieso machen sie das?

Andere, wie die großen Supermarktketten mit Ausnahme von Intermarché hingegen schaffen es, die Kommunen zu erpressen und keine Steuern zu zahlen. Was für ein System. Und als Randnotiz: nur Intermarché erlaubt den einzelnen Filialen das Kaufen regionaler Produkte, alle anderen lassen zentral einkaufen. Und wir reden über Regionalentwicklung, geschlossene Wirtschaftskreisläufe und gute, qualitätvolle Nahrungsmittel!

Die  ersten Eindrücke und Ideen nach einem sehr heißen schattenlosen Rundgang.

Die Architekten haben auf dem „Papier“ gearbeitet, ohne die Topographie der Umgebung und des Geländes ausreichend zu beachten. Das alte Dorf war „eingebettet“ in ein Tälchen, umgeben von sanfter Reliefierung ( so der Eindruck von den Fotos). Dieser Fehler bewirkt ein „zur Schau stellen“ des Neuen, verstärkt durch die Forscher und Jounalisten, die über viele Jahre wissen wollen, wie es den alten Bürgern in ihrer neuen Umgebung ergeht und gefällt. Und da sie keine Forschungsobjete sein wollen, reagieren sie inzwischen verständlicherweise zugeknöpft und abweisend. Und sie wollen auch nichts mit den Museumsleuten zu tun haben, von denen keine Unterstützung und keine frischen Ideen kommen.

Die Differenziertheit der alten Häuserstruktur ist nicht aufgenommen worden (verschiedene Dachhöhen, unterschiedlicher Stand der Fassaden zur Straße, andere Fenster- und Türanschläge, …), so dass der Eindruck neuer Monotonie nicht vermieden wurde. Der Straßenraum ist weit überdimensioniert. Die Straßen sind fast so breit wie in Lissabon, die Bürgersteige in jedem Fall. Das ist für ein Dorf mit aktuell 300 bis 350 Einwohnern nicht die richtige Dimension. Besser und neu wäre ein Konzept des „shared space“, alle Verkehrsteilnehmer teilen den Freiraum und nehmen aufeinander Rücksicht. Das würde Platz freimachen für eine konsequente Grünstruktur im Ort (Baumreihen, Alleen, Hecken), für die die Bewohner unter Anleitung (?) langfristig die Verantwortung und Pflege übernehmen können und vielleicht auch wollen. Damit könnte möglicherweise auch eine neue Gesprächskultur wachsen.
   

Fotos des alten Dorfes und der Hausstrukturen, die nicht so wieder hergestellt worden ist

Die Gartenbesitzer, die es ja schon gibt, mit ihren üppigen und schönen Gärten hätten vielleicht sogar an einem Tag im Jahr durch das „offene Tor“ Spaß daran ihre „Schätze“ zu zeigen und andere zu begeistern. Vielleicht gibt es sogar einen Kaffee im Garen oder eine selbst gegrillte Sardine.

Der Stolz der Gärtner ist bei so viel Üppigkeit unübersehbar. Der alte Herr erzählt über seine Arbeit in Augsburg und verschenkt volle Arme reifer Zitronen.

Der weiter vorhandene reichlich bemessene öffentliche Raum braucht andere und neue Funktionen. welche dies sein könnten, ist mit den Bewohnern und ihren Wünschen und Vorstellungen gemeinsam zu entwickeln. Dieser Prozess Bedarf de Zeit und kann zwischen zwei und fünf Jahre in Anspruch nehmen. Dann aber, wenn alle beteiligt sind, wenn alle mit den Veränderungen mitgehen, besteht die Chance der Realisierung, der  Akzeptanz und der gemeinsamen Umsetzung.
Das Museum ist ein Apendix, kein Teil von Luz. Ein Miteinander zu entwickeln – nach Langer Zeit gegenseitiger Ignoranz oder gar Abneigung, wird es für beide Seiten schwer sein, Vertrauen zu gewinnen.
Vielleicht ist ein Ansatzpunkt, die existierenden Vereine und Organisationen und ihre Zielsetzung zu ermitteln und prüfen, ob diese für ein Zusammenwirken mit Freiraum, sozialem Leben, Handwerk, Tradition und Gemeinschaft wichtig sein können. Denn die alten Techniken der bäuerlichen Kultur, wie Käse machen, Fischen gehen, die traditionellen Gerichte und die im Dorf gekannten Spezialitäten (wir haben als Tapas am Mittag gekochten Schweinebauch und dicke Bohnen gesehen und vor allem gerochen), kenne weder die Schulkinder noch die wenigen Touristen, die dort stranden. Die gibt es, denn es existiert ein Wohnmobilplatz und wir erfahren, dass es Gäste gibt, die immer wieder kommen. Noch kennen wir ihre Motive nicht.
Dass es in Luz von eine Schule gibt, eine Grund- und sogar eine weiter führende Schule, kann ein weiterer Ansatz für eine neue Zusammenarbeit werden, zumal die Bürgermeisterin dem Ganzen positiv gegenüber steht, auch wenn es der einzige Ort des Alentejo ist, der konservativ wählt und sich so gegen die „anderen Interessen“ behaupten muss.
Antonio hat noch viele Fotos der Region vor der Flutung, von den Menschen und auch aus den anderen Orten, die betroffen waren und sind.
Auf der Rückfahrt Spinnen und träumen wir von einem gemeinsamen studentischen Workshop von Anthropologen und Landschaftsachitekten, wenn wir Deutsche dafür Geld auftreiben können. Vielleicht haben Peter und ich dann noch einmal eine gemeinsame Chance?
 Mehrere Wege sind denkbar:
  • Fotoprojekt von Antonio mit den Bewohnern, historischen Fotos, neuen Erfahrungen der Bewohner,
  • Alte Handwerkstechniken neu entdecken (Käse u.a. herstellen, Fischen gehen, …, mit den Kindern der Schule und später für die Touristen) und diese im Museum zeigen und ausstellen
  • Oral history – erlebte Geschichte: erzählt von den „Alten“, aufgeschrieben von den Jungen,
  • Das Dorf ergrünt, Biodiversität ist nicht nur „draußen“,
  • Shared Space – Modellprojekt in Portugal,
  • Eine bessere räumliche Anbindung des Museums an den Ort durch eine andere grüne Struktur,
Das Museum von Luz
Es bedarf einer neuen Museumspädagogik, indem es die Bewohner von Luz nicht als Ausstellungsstücke betrachtet, sondern Konzepte mit ihnen gemeinsam erarbeitet und Altes mit Neuem koppelt. Zudem fehlt bislang eine Auseinandersetzung mit dem Projekt „Stausee“: 
  • sehr alte Planung, Zielsetzung für heute prüfen, Änderungen der Lebensverhältnisse der ländlichen Bevölkerung, Sinnhaftigkeit, …
  • Klärung an welche Zielgruppen sich das Museum wenden will,
  • Herausfinden, was Luz zu etwas Besonderem macht und ein Gesamtkonzept entwickeln, dass die anderen von der Talsperre „betroffenen“ Orte mit einbindet, um daraus Angebote für Touristen zu entwerfen und gemeinsam zu vermarkten.

Ein tolles Thema für einen internationalen Workshop “ Luz 2020″ und vielleicht eine Chance für Peter und mich, das zusammen zu stemmen, wenn wir es schaffen, dafür Geld zu organisieren.

Literatur: Wateau, Fabienne: Querem Fazer um Mar …, Lissabon 2014, auch auf französisch (werde mich darum kümmern)

Ein Rästel ist gelöst!

Ein Spaziergang durch Luz, die neu errichtete Stadt, gebaut in der Struktur des gefluteten alten Dorfes, das die Talsperre Bei Mourao verschluckt hat, ebenso wie Teile von drei weiteren Orten, haben wir Folgendes 

 Was ist das? katzenspiegel, schon mal gehört?

Da drängen sich viele Fragen auf. Brauen die Bewohner warmes Wasser? Wird Wasser geliefert, weil die Qualität schlecht ist, die aus dem Hahn kommt, aber warum dann auf der Mauer und das bei einigen Höfen und andere Mauern sind ohne Wasser? Wir können das Rätsel nur mit Hilfe von Ema und Antonio lösen. 

Es ist ganz einfach. Es sind die Katzenabwehrmauern, denn die Meschen wollen in ihren Innenhöfen keine streunenden Katzen dulden, die ihren „Duft“ an jede Ecke markieren. So haben sie dieses „portugiesische System“ erfunden, um die kleinen wilden Tiger fernzuhalten, die die schweren 5-Liter Bottiche nicht umstoßen , sich auch nicht zwischen durch quetschen können und auch nicht darüber klettern. Eine wirksame, wie preiswerte Lösung. Klettern könnten sie vielleicht schon, aber die Wasserbottiche sind wie Spiegel für die Katz‘, und welche schlaue Katze legt sich schon gern mit einer anderen in deren Revier an?

Es gibt auch noch ein weiteres „portugiesische System“, um keine Fliegen in Räumen zu haben. Pendelnde Schalen mit Wasser in den Türsturz hängen, auch das soll helfen und ist ebenfalls superpreiswert.